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Arzneimittelquoten, Budgets und mögliche Honorarabzüge

Der Quartalsabrechnung der KVNo lagen die üblichen, "freundlichen" Hinweise auf die Verordnungsstatistiken bei. Darin ist zu lesen:

Ihre Generikaquote: 88% (Zielwert 2007: 73,1%)
Ihre Me-Too-Quote: 37,73% (Grenzwert 2007: 13,8%)
(jeweils Stand 3/2007)

Weiter heisst es:

Den angegebenen Grenzwert bei Me-Too-Präparaten sollten Sie nicht überschreiten. (...) Die Me-Too-Liste gibt es auch im Jahr 2008. Gesenkt wurde die Quote für Nervenärzte von 13,8 auf 11,9 Prozent. Grund für die Absenkung ist die generische Verfügbarkeit mehrerer Blockbuster, die die Me-Too-Quote nicht mehr belasten.

Ärzten, die ihr persönliches Richtgrößenvolumen überschreiten und die Me-Too-Quote nicht erreichen, droht nun ein Honorarabzug von 5 Prozent.

Das ist jetzt aber keine beugende Gewalt, die in die Richtung eines psychischen Zwanges geht, oder?

Eine Seite weiter dann:

Ihre persönlichen Quoten für das vierte Quartal können wir Ihnen derzeit noch nicht mitteilen. Die Daten liegen noch nicht vor. Sie werden später als üblich an die KVNo geliefert, da die Krankenkassen fehlerhafte Rezeptdaten von den Apothekenrechenzentren bekommen haben.

Diese Daten soll ich erst im Juni erhalten. Bischen spät, finde ich. Ob die Datenqualität dann besser ist, sei mal dahingestellt.

Der Datenkörper der KV

Ein Jahr nach Beginn der Richtgrößenprüfung für das Jahr 2005 erhielt ich am 4.3.2008 ein Übergabeeinschreiben. Absender: die Prüfungsstelle der Ärzte und Krankenkassen Nordrhein. Mit stoischer Gelassenheit öffnete ich den versiegelten Umschlag und las auf Seite 2:

Für die Quartale 1/2005 bis 4/2005 werden keine Maßnahmen beschlossen.

Der Prüfungsausschuss befasste sich in seiner Sitzung am 22.11.2007 mit dem Verfahren. Er bringt zunächst Verordnungskosten der AOK, die nicht abschließend aufgeklärt werden können, zugunsten des Vertragsarztes in Abzug (2.963,08 € für Fremdkassenfälle und 373,40 € für BKN, was immer das heißen soll). Außerdem werden 5,00 (!) € Portokosten (?) herausgerechnet.

Dann wurden Mehrkosten einer Praxisbesonderheit gegenüber der Vergleichsgruppe wie folgt berechnet:

Verordnungsvolumen des Vertragsarztes bei einer Symbolnummer minus (Falldurchschnitt der Vergleichsgruppe für diese Symbolnummer multipliziert mit der Fallzahl des Vertragsarztes).

Schließlich wurde noch ein indikationsbezogener Mehrbedarf (für Haloperidol, Amisulprid, Ziprasidon und Aripiprazol) berechnet. Praxisbesonderheiten durch abweichende Erkrankungen gegenüber der Arztgruppentypik hingegen lägen nicht vor. Und das bei ungefähr 240% Differenz bei F20.xx. Aber diese Besonderheiten seien ja schon mit der Berücksichtigung der Symbolnummer 90915 abgegolten.

Insgesamt belaufe sich die Summe der Praxisbesonderheiten auf 178.635,48 €, und nach Bereinigung der Verordnungskosten ergebe sich eine Abweichung von 8,47% gegenüber der Richtgrößensumme. Daher erfolge keine Maßnahme.

Gegen diesen Bescheid kann ich jetzt bis zum 4.4.2008 Widerspruch einlegen.

Arzneimittelrichtgrößen 2008

Die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein und die gesetzlichen Krankenkassen haben für 2008 eine neue Vereinbarung (pdf 280k) über das Arznei- und Verbandmittelausgabevolumen getroffen. Das Ausgabenvolumen für das Kalenderjahr 2008 wurde abschließend auf den Betrag von 2.969.962.369,50 € festgelegt.

Nach der Richtgrößenvereinbarung dürfen Psychiater pro Quartal Medikamente im Wert von 104,00 € (für Allgemeinversicherte) bzw. 135,21 € (für Rentner) verordnen.

Im Durchschnitt sind das 119,61 € pro Patient.

Wenn nun ein Arzt sein für das Kalenderjahr 2008 maßgebliches Richtgrößenvolumen überschritten hat und gleichzeitig den Zielwert für Me-Too-Präparate nicht erreicht hat, dann darf er eine Strafzahlung von bis zu 5% seines Jahreshonorars an die Krankenkassen leisten.

Dazu eine kleine Beispielrechnung mit aktuellen Preisen:

In dem Artikel über eine Kombinationsbehandlung bei Schizophrenien wird - bei Monotherapie mit Clozapin - eine durchschnittliche Tagesdosis von 491 mg/d angegeben. Bei einem Preis von 133,85 € für 100 Tabletten Clozapin à 200 mg ergeben sich daraus Tagestherapiekosten von 3,29 €.

Eine Monotherapie mit 491 mg/d Clozapin kostet also 3,29 € am Tag oder 296,10 € im Quartal.
Bereits das entspricht einer Budgetüberschreitung von 148%.

Kombiniert man nun Clozapin mit Aripiprazol, benötigt man weniger Clozapin (nämlich nur noch 435 mg/d). Die durchschnittliche Aripiprazoldosis wiederum beträgt 20 mg/d. 453 mg/d Clozapin kosten 2,91 €. Bei einem Preis von 704,47 € für 98 Tabletten Aripiprazol à 10 mg ergeben sich daraus Tagestherapiekosten von 14,38 €.

Eine Kombinationstherapie mit 435 mg/d Clozapin + 20 mg/d Aripiprazol kostet also 17,29 € am Tag oder 1.556,10 € im Quartal.
Das entspricht einer Budgetüberschreitung von 1200%.

Das heisst dann im Sinne der impliziten Rationierung durch planwirtschaftliche Vorgaben:

Um zehn Patienten mit einer Clozapin-Monotherapie behandeln zu können, muss ich fünfzehn andere Patienten ohne Medikamente versorgen.
Um zehn Patienten mit einer Clozapin-Aripiprazol-Kombination behandeln zu können (um ihnen beispielsweise Speichelfluss, Sedierung, kognitive Beeinträchtigung zu ersparen), muss ich einhundert andere Patienten ohne Medikamente versorgen.

Aripiprazol wird übrigens als Me-Too-Präparat geführt. Da wäre ich dann Ende 2008 mit rund 4.000 € Strafzahlung dabei.

Mein Datenkörper

So, endlich fertig. Hat mich nur zwei Arbeitstage gekostet :(((

Überprüfung der Arzneiverordnungsweise nach Maßgabe des Prüfverfahrens von Amts wegen bei Überschreitung der Arzneimittelrichtgrößen gem. § 12 i.V. mit Anlage 2 der Prüfvereinbarung (Richtgrößenvereinbarung) in den Quartalen 1/2005-4/2005
Ihr Schreiben vom 19.3.2007 (Eingang: 26.3.2007)

Sehr geehrte Damen und Herren,

mit o.g. Schreiben baten Sie um Stellungnahme und um Erläuterung meiner Praxisbesonderheiten.

Für 2005 ergibt sich aus den vorgelegten Quartalsbilanzen ein Richtgrößenbudget von 123.563,41 €, ein Verordnungsvolumen von 324.661,73 €, und damit eine Überschreitung um 201.098,32 € (162,75%).

Entgegen §5 der Prüfvereinbarung wurden Praxisbesonderheiten nicht vorab berücksichtigt.

Die psychopharmakologische Behandlung in meiner Praxis unterliegt sowohl dem erforderlichen Sorgfaltsprinzip, als auch dem gebotenen Wirtschaftlichkeitsprinzip. Die Wirtschaftlichkeit meiner Verordnungsweise lässt sich daraus ableiten, dass lediglich 25% meiner Verordnungen Originalpräparate betreffen, die zum Zeitpunkt der Verordnung nicht generisch verfügbar waren. Der Generika- und Reimportanteil liegt bei 75%. Das ausgewiesene Sparpotenzial beträgt 1.755,57 € (entsprechend 0,6% der Gesamtsumme).

Bei der Durchsicht der patientenbezogenen Verordnungsdaten des 1. Quartals 2005 ergaben sich folgende Auffälligkeiten:

"Mein Datenkörper" vollständig lesen

Ihr Datenkörper

Weil ich heute sowieso nichts besseres vor hatte, habe ich die CD zur Richtgrößenprüfung eingelegt und mit der Arbeit begonnen. 9 pdf mit insgesamt 12 MB. Da ist Ihr Datenkörper drin, und der sieht so aus:

Größeres Bild? Hier klicken.

Schon nach drei Stunden hatte ich das erste Quartal 2005 durchgesehen (mittlerweile war es 21 Uhr) und immerhin schon festgestellt, daß ich - bis auf drei - alle Datenkörper den jeweiligen Personen zuordnen konnte. Dabei fiel mir auf, daß in 49 von 834 Fällen die Apotheken teurere Medikamente abgegeben haben als die, die ich ursprünglich verordnet hatte (nämlich Originale statt Reimporte). Ausschließlich im Hochpreissegment. Das will ich an dieser Stelle weder bewerten, noch kommentieren.

Mal sehen, was ich daraus machen kann. Das kann ich ja dann am Wochenende erledigen. Für heute hab ich die Faxen dicke.

Sollte bis zu diesem Datum

eine Stellungnahme Ihrerseits nicht vorliegen, wird der Prüfungsausschuss nach Aktenlage entscheiden. "Prüfungsausschuss der Ärzte und Krankenkassen Nordrhein" Ende. Nett. Immerhin haben sie sich auf eine Fristverlängerung eingelassen.

Am 22.3.2007 schlug die "Überprüfung der Arzneiverordnungstätigkeit nach Maßgabe des Prüfverfahrens von Amts wegen bei Überschreiten der Arzneimittelrichtgröße gem. §12 i.V. mit Anlage 2 der Prüfvereinbarung (Richtgrößenvereinbarung) in den Quartalen 1/2005 bis 4/2005" bei mir auf. Nice lyrics. Es dauerte dann noch bis zum 26.3.2007, bis es TNT gelang, die dazu gehörige CD zuzustellen.

Worum geht's? 2005 hätte ich Medikamente im Wert von 123.563,41 € verordnen dürfen. Ich habe aber Medikamente im Wert von 324.661,73 € verordnen müssen. Ergibt eine potenzielle Strafzahlung von 201.098,32 €. Das würde mich, meine Eltern, Kinder und Kindeskinder fundamental ruinieren. Besser, die treten das Erbe gar nicht erst an...

No risk, no fun. Später mehr.

Sie wollen sich den ganzen Sermon reinziehen? Download hier.

Richtgrößenprüfung 2001

Richtgrößen sind Größen, nach denen man sich richten muss. Oder sind es Größen, nach denen man gerichtet wird?

Jährlich treffen sich Vertreter von Krankenkassen und Kassenärztlicher Vereinigung, um die so genannte Richtgröße auszuhandeln. Das ist der Geldbetrag, den die medikamentöse Behandlung eines kranken Menschen im Vierteljahr kosten darf. Dazu nimmt man alle Rezepte einer Fachgruppe aus dem vorletzten Jahr und teilt sie durch die Zahl der Patienten.

Ein seelisch krankes Kassenmitglied (oder ein Angehöriger) durfte 2001 pro Quartal Medikamente im Wert von maximal 103,08 DM, ein Rentner für maximal 155,13 DM erhalten (auf der Basis der Zahlen von 1999).

Warum gerade 2001?

Im März 2004 verschickte der gemeinsame Prüfungsausschuß der Ärzte und Krankenkassen monströse, in Gummifolie verpackte Pakete an zahlreiche Ärzte aller Fachrichtungen. Darin steckten bis zu 2500 eng bedruckte DIN-A-4 Seiten, auf denen alle Rezepte des Jahres 2001 aufgelistet waren - natürlich anonym. Außerdem enthielt das Paket einen Brief, in dem akribisch vorgerechnet wurde, um welchen Betrag die Praxis das vorgegebene Budget überschritten hatte.

Wenn ein Arzt Medikamente verordnet, die teurer sind als die Richtgröße erlaubt, kann ein Regress gefordert werden. Das heisst, dass Ärzte die Medikamente für ihre Patienten aus eigener Tasche bezahlen müssen. Ausnahme: die Praxis bzw. die Patienten sind so wenig "durchschnittlich", dass eine begründete Überschreitung des vorgegebenen Budgets möglich werden kann. (Sie kennen das von Ihrem Bäcker: An einem durchschnittlichen Samstag kaufen und bezahlen Sie 6 Brötchen. Diese Woche haben sie überdurchschnittlichen Hunger und wollen 12 Brötchen. 6 davon bezahlt dann der Bäcker.)

Wenn ein Arzt eine nicht ganz durchschnittliche Praxis führt, dann kann er "Praxisbesonderheiten" anmelden. Der Prüfungsausschuß hat da schon mitgedacht und einen Teil der Medikamente herausgerechnet. Der Löwenanteil bleibt aber stehen, und jetzt muss sich der Arzt an die Arbeit machen. Es gilt, ein ganzes Jahr jeden einzelnen Patienten auf seine Überdurchschnittlichkeit zu prüfen. Das ist ein Haufen Arbeit, zumal die Durchschnittswerte geheim gehalten werden und nur mit hartnäckiger Suche aus dunklen Quellen ans Tageslicht befördert werden können.

Wenn Sie Fragen dazu haben, oder wenn Sie selbst von diesem bürokratischen Monster bedroht werden, mailen Sie mich an. Niemand sollte sich diesem Verfahren allein stellen.