Skip to content

Wahnsinnswoche 2018:42

In dieser Woche 178 Patientenkontakte und 19 Terminausfälle. Bis auf Weiteres habe ich erst in 10-12 Wochen wieder Termine frei.


Am Montag war es ohne Vorwarnung katastrophal voll: 64 Patienten an einem Tag (das sind rund 15% meiner Quartals-Fallzahl). Wenn das so weitergeht, werde ich zur Qualitätssicherung die offene Sprechstunde vorübergehend für Neuzugänge sperren müssen.

Dafür saß ich dann am Donnerstag nach relativ kurzer Zeit einsam und verlassen vor einem leeren Wartezimmer...


Aber vielleicht werde ich ohnehin bald arbeitslos: Amazons Alexa soll demnächst heraushören, ob sein Besitzer krank, verstimmt oder gar depressiv ist, und sich darum kümmern.


Bizarre Suchanfragen, die auf meiner Seite landen, heute: "psycho docktor näht kinder zusammen". WTF? Ich kann nicht besonders gut nähen, geschweige denn Kinder zusammen.


Der stärkste Prädiktor für den Glauben an Verschwörungen ist eine Konstellation von Charaktereigenschaften, die allgemein als Schizotypie bezeichnet wird.


Computer, die mit Big Data operieren, produzieren so schnell wie nie zuvor Unsinn. Beispiele gefällig? Hier. GIGO eben.


Der Vorsitzende des gemeinen Bundesausschusses Hecken so: "Ich fordere den Abbau von Überversorgung im ambulanten Bereich". Dazu möchte er die Praxisinhaber enteignen: Praxen in überversorgten Städten sollen nach dem Abgang eines Arztes nicht mehr verkauft werden dürfen (paywall).

Gesundheitsminister Spahn (CDU) mit seinem Terminservice- und Versorgungsgesetz so: "Zulassungsbeschränkungen für einige Fachärzte (Kinder- und Jugendheilkunde, innere Medizin und Rheumatologie, Psychiatrie und Psychotherapie) sollen entfallen, weil Versicherte über Probleme klagen, dort schnell Termine zu bekommen". Natürlich ohne finanziellen Ausgleich des Mehrbedarfs.

Jetzt Hecken so: "Woher sollen wir die Ärzte nehmen?" Na, aus dem Abbau der Überversorgung (hallo Herr Spahn: zurzeit haben wir in der Psychiatrie 140% und in der Psychotherapie 173% Überversorgung in NRW (pdf)). Bin ich zu blöd, das zu kapieren? Oder werden das System und seine Akteure mittlerweile völlig gaga? Die sind so widersprüchlich und orientierungslos, als hätten sie eine kognitive Störung. Und der Hecken scheint einen echten bullshit-job abgekriegt zu haben.


Spaß mit Bürokraten, Teil 1:

"Sehr geehrte Bedienstete der DRV Wuppertal, Ihre Bitte um einen Befundbericht vom 21.9.2018 erreichte mich - zusammen mit etwa 40 weiteren Anfragen - nach meinem Urlaub am 8.10.2018. Ich gehe davon aus, dass ich Ihre Anfrage bald werde beantworten können, sofern sich die DRV Wuppertal ihrerseits in der Lage sieht, die überfälligen Rechnungen aus den Monaten August und September 2018 nun unverzüglich auszugleichen. Mit freundlichen Grüßen."

Spaß mit Bürokraten, Teil 2:

Anfang September hatte ich auf einen Prüfantrag der KVNO / BKK Nordwest geantwortet. Die akribisch prüfende Prüfungsstelle will jetzt einen Auszug aus meiner Behandlungsdokumentation haben - aber: "Sehr geehrte Bedienstete der KV, ich kann die gewünschte Dokumentation leider nicht vorlegen, da mir der Patient Horst Eberhard Meierbehr (Name geändert) unbekannt ist. Er befand / befindet sich nicht in meiner Behandlung. Meine Stellungnahme vom 2.9.2018 bezog sich auf einen anderen Patienten. Ich rege daher an, den Verfahrensablauf auf seine Richtigkeit zu überprüfen. Mit freundlichen Grüßen."


Soulfood: Fantastic Negrito - The Duffler

Wahnsinnswoche 2017:48

In dieser Woche 125 Patientenkontakte und 6 Terminausfälle. Nein, vor Weihnachten habe ich definitiv keine Termine mehr frei. Im Januar ist es auch schon eng. Im Februar könnte es wieder klappen...


Lauterbach (SPD) will die Bürgerversicherung (die Grünen, die Linke und Teile der AfD übrigens auch).

Warum?

Nach einer Studie der Bertelsmann-Stiftung soll der Staat dadurch in den nächsten 15 Jahren rund 60 Milliarden Euro einsparen. Nix mit Gerechtigkeit oder so.

"Jeder Mensch braucht im Winter eine dicke Jacke. Die gibt es nun aber für 50 Euro, für 500 Euro und sicher auch für 5.000 Euro. Ein Gesetz, das jeden verpflichten würde, künftig nur noch die 50-Euro-Jacke zu tragen, wäre nicht links, sondern ballaballa." (Aus einem gutgemeinten  Plädoyer für ein steuerfinanziertes Gesundheitswesen. Das dort angeführte Argument mit "Straßen, Schulen oder Feuerwehr" zieht aber in meinen Augen nicht so richtig...)


WTF der Woche: ein Fünftel der Deutschen glaubt doch tatsächlich, Menschen mit Depression müssten sich einfach nur zusammenreißen und als Therapie Schokolade essen.


Feelings are real but they aren't reality.


Vitamin D soll - gerade in der dunklen Jahreszeit - bei verschiedenen psychischen Erkrankungen hilfreich sein. Aber Vorsicht: zwei Fallberichte zeigen, dass die Einnahme von vermeintlich harmlosen Vitamin-D-haltigen Nahrungsergänzungsmitteln oder Präparaten schädlich sein kann. Beide entwickelten ein akutes Nierenversagen bei ausgeprägter Hyperkalzämie. Nehmen Sie nicht mehr als 800 IE pro Tag!


Soulfood: First Techno (Kraftwerk 1970). Und: "Tanzmusik" (1973).


Und noch ein Video. Es geht um die Machenschaften der Pharmaindustrie: Die Impfgegner-Lüge. (Witzig. Nehmen Sie das bloß nicht ernst...)


Nulla placere diu nec vivere carmina possunt quae scribuntur aquae potoribus. Machen Drogen womöglich kreativ? Hint: Nein. Aber die Vermutung liegt nahe, dass diejenigen Eigenschaften, die einen Menschen neugierig, offen und kreativ machen, ihn auch gerne zu Rauschmitteln greifen lassen.


Fühlen Sie sich manchmal beobachtet? Sie könnten Recht haben: ein Team von Computerwissenschaftlern der Stanford University hat vorgeführt, wie sich aus Bildern von Google Street Views für Orte, Stadtteile und Straßen ableiten lassen soll, welches Einkommen und welchen Bildungsgrad die dort lebenden Menschen haben, welcher Ethnie sie angehören und wie sie wählen.

Dazu passend: De Maizière (CDU) will, dass die Industrie dem Staat exklusive Zugriffsrechte einräumen soll, etwa bei privaten Tablets und Computern, Schließanlagen von Fahrzeugen, Smart-TVs oder digitalisierten Küchengeräten. Wenn Sie also zufällig in einer Gegend wohnen, wo die CDU keine Stimmen holt, müssen Sie sich künftig über nichts mehr wundern ...


Suchen Sie noch ein Weihnachtsgeschenk für Katzenfreunde?

Dr. Stein und der Shuttle-Bus

Rentner Wilfried Stratmann betrat hoffnungsvoll das Dorfgemeinschaftshaus. Endlich war Sprechstunde, ein junger Arzt aus der grossen Stadt war für einen Vormittag eingetroffen. Husten und Luftnot quälten ihn schon seit Tagen. Und diese Rückenschmerzen vor einer Woche! Dorfschwester Helene hatte sich zwar rührend um ihn gekümmert, sie hatte ihm Thymian-Hustensaft verabreicht und den Bereich der Brustwirbelsäule mit Kampferpaste eingerieben, aber irgendwie ging es ihm immer noch nicht besser.

Dr. Frank Stein aus der allgemeinmedizinischen Abteilung des MVZ präparierte seinen Arbeitsplatz: Stethoskop und Blutdruckmesser links, Laptop und Ohrenspiegel rechts. Dem Schulpraktikanten Thorben-Björk wies er den Platz gegenüber zu. Er war sich noch nicht sicher, was er von den Schulpraktikanten halten sollte, die ihn neuerdings auf seinen Fahrten über die Dörfer begleiten mussten.

Was sollte er einem Vierzehnjährigen in der Sprechstunde zeigen? Immerhin hatten die Praktikanten bereits einen elektronischen Arztausweis mit lebenslanger Arbeitsnummer (LANR). Thorben-Björk führte die Nummer 32-33-426647. Die 32 bedeutete, dass der Gymnasiast den Schulplatz erhalten hatte, weil ihn die Eltern verbindlich zur späteren Tätigkeit als Landarzt angemeldet hatten. Die 33 stand für das Gesundheitszentrum in der Uckermark, in dem er später Verwendung finden sollte. Der Rest war seine persönliche Identifikationsnummer. Der 15-Jahresplan aus dem Ministerium zeigte erste Erfolge.

Stein untersuchte den Rentner gründlich. Rasseln basal in beiden Lungen, geschwollene Knöchel, vor einer Woche Schmerzen in der Brustwirbelsäule – da müsste wohl dringend einmal ein Kardiologe den Ultraschallkopf aktivieren, ein EKG und ein Röntgenbild wären dringlich, und Labor. Stein ärgerte sich, dass das EKG-Gerät kürzlich abgeholt wurde, weil es in der Klinikambulanz gebraucht wurde. Er hatte protestiert, aber es nützte nichts – Doppeluntersuchungen wolle man nicht mehr, wurde ihm gesagt.

Stein kramte den Fahrplan der Shuttlebusse hervor. In den nächsten Tagen müsste doch eigentlich der Shuttle zur kardiologischen Klinikambulanz in Neusprenz fahren – richtig, übermorgen. Gutgelaunt wandte er sich seinem Laptop zu und loggte sich in den Server von „Easyshuttle“ ein. Es war noch ein Platz frei, sogar ein Sitzplatz. Er reservierte den Platz und liess sich mit dem Klinikum Neusprenz der Spessart AG verbinden. Diesen Patienten wollte er anmelden, damit nichts schiefging.

Wie neulich, als er einen Patienten für den Shuttle in die gastroenterologische Ambulanz des Klinikum Neuruppig gebucht hatte. Er war zurückgekommen mit der Empfehlung, wegen einer atrophischen Gastritis Europrazol einzunehmen. Der empfehlende Kollege, ein Assistent im ersten Ausbildungsjahr, war leider telefonisch dort nicht mehr zu erreichen, da er turnusmässig in die Spessart-Klinik für Psychosomatik im Odenwald rotiert war.

Mitleidsvoll sah Stein zu dem Schulpraktikanten herüber, der inzwischen über einem Algebrabuch für die sechste Klasse eingeschlafen war, die Brille zu einer bizarren Skulptur verbogen. Das Telefon klingelte, Stein hob ab: „Klinikum Neusprenz des Unternehmen Leben Spessart AG – Kompetenz und Empathie – das Gesundheitszentrum, meine Name ist Elvira Schmitz-Hoppenstedt, womit kann ich Ihnen helfen?“ Stein liess sich mit der kardiologischen Ambulanz verbinden. „Hmmm…?“ meldet sich Steins Kollege. „Sind Sie der diensthabende Kardiologe in der Ambulanz?“. „Dienst, ja.“ „Ich möchte für übermorgen einen Patienten anmelden“. „Wollen melden –morgen?“. „Einen Patienten anmelden, für übermorgen. Sie sind doch der Kardiologe?“. „Kardiologe nein. Dienst. Aber Tag nach Morgen gastroenterologische Ambulanz habe.“ „Wo ist denn der Kardiologe?“ „Dr. Riva Urlaub, Dr. Rocci Visite“. „Kann ich Dr. Rocci sprechen?“ fragte Stein hoffnungsvoll.

Die Tür sprang auf. Schwester Helene erschien mit sorgenvoller Miene: „Dr. Stein, wir haben keine Sitzplätze mehr, die Leute stehen schon bis auf die Strasse – und einer randaliert im Wartezimmer. Er sei in einem Hausarztvertrag, man habe ihm versprochen, dass er nie länger als 30 Minuten warten muss und dass der Arzt sich besonders viel Zeit für ihn nimmt“.

Stein legte kommentarlos den Hörer auf. Selten hatte er Schwester Helene so aufgelöst gesehen. Nur einmal, da war ein betrunkener Autofahrer in eine Gruppe von Parkinsonpatienten gerast, die auf den Shuttlebus warteten.

„Was ist denn nun mit mir?“ fragte Rentner Stratmann etwas hilflos. „Ich kümmere mich darum, nehmen Sie einen Moment im Wartezimmer Platz“, bat Stein. Bloss erst diesen Hausarztvertragspatienten drannehmen. Den Titel „Excellenzprojekt Allgemeinmedizin“ sollte diese Zweigpraxis wegen eines unzufriedenen Hausarztvertragspatienten nicht verlieren.

August Zwang betrat das Zimmer. Er hatte bei seiner Kasse angerufen und sich über die ständig wechselnden Medikamente beschwert. „Der Hausarzt koordiniert Ihre Therapie, wenden Sie sich vertrauensvoll an ihn, Sie sind doch im Hausarztvertrag. Und wenn der Doktor das für nötig hält, bekommen Sie immer Ihre gewohnten Medikamente“, hatte die Dame von der Kasse in den Hörer geflötet. Stein ruderte hilflos herum, erzählte von Wirkstoffen, Rabattverträgen und Einsparpotentialen. „Aber wurden nicht gerade Medikamente aus Indien zurückgerufen, weil die Qualität nicht stimmte?“ entgegnete der resolute Patient. Stein gab auf. Nur keinen Ärger. Er setzte die erwünschten anti-aut-idem-Kreuze und komplimentierte den Patienten hinaus. Für diese Aktion würde er wieder bei Controller Stromberg antreten müssen.

Stein weckte den Schulpraktikanten und bat ihn, eine Tasse Kaffee von der Kegelbahn nebenan zu holen. Rentner Stratmann – ein ungelöstes Problem. Woher bekam er jetzt ein EKG? Die rettende Idee: im nur 20 Kilometer entfernten Nachbarort gab es noch ein EKG-Gerät, und dort war heute ebenfalls Sprechstunde. „Allgemeinmedizinisches Exzellenzzentrum der Tauruskliniken, Zweigpraxis Bad Gründelteich – wir kümmern uns um Sie in allen Lebenslagen – mein Name ist Edelgard Zungenbrecher-Wendelstein, was kann ich für Sie tun?“ säuselte es aus dem Hörer. Stein liess sich mit dem diensthabenden Kollegen der wöchentlichen Zweigsprechstunde verbinden, die in den Räumen der dortigen Agrarbank abgehalten wurde. Ob er eben mal einen Patienten zum EKG vorbeischicken könnte? Der Kollege reagierte irritiert: „Wir haben hier zwar ein EKG, aber ich kann damit nichts anfangen. Ich bin Bachelor.“ „Dann schreiben Sie doch das EKG und geben Sie es dem Patienten mit“, entgegnete Stein. „Das darf ich nicht, wegen der Doppeluntersuchungen, Sie wissen doch,“ klang es resigniert aus dem Telefonhörer.

Stein biss in seinen Kugelschreiber. Die Zeiten waren kompliziert. Sorgenvoll blickte er zu dem Schulpraktikanten herüber, der unbekümmert SMS in sein Handy tippte.

Mit freundlicher Genehmigung des Autors

Der neue sozialistische Bruderkuss

 

NDR Fernsehen - Extra 3 Blog » Blog Archiv » Der neue sozialistische Bruderkuss

Es gibt nur einen Weg, für Frank-Walter-”The-Stone”-Steinmeier Kanzler zu werden – zusammen mit den sozialistischen BrüdernGenossen von der Linken. Und so präsentiert Schlegl vor Ort gleich die neue Kampagne.
Am Ende wurde die Veranstaltung sogar noch ziemlich rot-rot-grün, als freundliche Polizeibeamte unser Team des Platzes verwiesen.

via