Ein Beitrag von Karl Goslar
Das Deutsche Ärzteblatt vom 9.12.2005 veröffentlichte einen Kommentar "Bonus-Malus-Regelung bei Verordnungen: Noch mehr Kontrolle", der die Frage aufwirft, welche gedankliche Position die Schreiberin im Organ der Ärzteschaft vertritt.
Wenn ich das alles höre und lese bekomme ich Wut und - Angst.
Als Neurologe und Psychiater gehöre ich, wie auch die Onkologen, zu der Gruppe der hochpreisigen Verschreiber (z.B. Interferone für Multiple Sklerose zwischen 3600 bis 4500 € / Quartal, fortgeschrittener Parkinson ca. 1000 € / Quartal, dann weiter Epilepsie, Schizophrenie, Depression, Alzheimer 400 bis 1000 € / Quartal ...).
Montag, 12. Dezember 2005
Bonus-Malus-Regelung - Wo bleibt die Reaktion ?!
Bei einer Auflistung meiner teuersten Patienten (s.o. angeführte Krankheitsbilder), verbrauchen diese 7 % (berechnet anhand meiner Gesamtpatientenzahl) ungefähr 100 % meines Gesamtmedikamentbudgets.
Bis zur Einführung von Interferonen zur Therapie der Multiplen Sklerose am 15.01.1996 lag ich noch weit unter der Grenze.
Ich brauche, wenn ich dafür haften soll (lt. Ärzteblatt bei Überschreitung von 5 -10% mit 30%, bei mehr als 10% mit 50% Zahlung) keine Diskussion - ich brauche einen Insolvenzverwalter!
Die Gruppe der Nervenärzte, so auch ich, hat mit 70 bis 75% den höchsten Generika- Anteil in der Verordnung. Sind sich also der Kosten bewusst. Aber gegen die Preise der nur als Original erhältlichen Präparate kommen wir nicht an - und die Pharma- Industrie scheut sich auch nicht, diese noch zu erhöhen, zumal dann, wenn die BGM Schmidt denkt, dort bei den Generika per Diktat die Preise senken zuwollen.
Die hausärztlichen Kollegen schicken den Patienten auf Grund der bereits seit Jahren bestehenden, vom damaligen BGM Seehofer erdachten Bedrohungssituation mit Haftung für die Verordnung, aus verständlichen Gründen zu mir, wenn es um die Verordnung geht.
Da es mein Fachgebiet betreffende Krankheitsbilder sind, die auch einer adäquaten Verlaufskontrolle bedürfen, hatte ich auch dafür mehr als Verständnis. Kann man doch nicht Therapien empfehlen, aber dann die Verantwortung abwälzen (anders als die Politik).
Solidarisieren sie sich auch mit meinen Patienten und mir, wenn ich nach den Plänen des BGM pleite gehen?
Solidarisieren sie sich erst, wenn ich nicht mehr verordne, das Risiko auf sie abwälze und ebenfalls in die Pleite treibe?
Solidarisiert sich der Pat., wenn ich erkläre, aus wirtschaftlichem Überlebenstrieb das Haftungsrisiko für die notwendige Verordnung und damit die Behandlung für die teuren Krankheitsbilder nicht mehr zu übernehmen?
Solidarisiert sich die Krakenkasse, der Rentenversicherungsträger, das Arbeitsamt oder das Sozialamt, ja die Gesellschaft mit mir durch Extrazahlungen an mich, wenn ich durch adäquate Therapie Krankenhausaufenthalte, Arbeitsunfähigkeit, Heimeinweisungen, vorzeitige Berentung verhindere?
Habe ich nur die Wahl der Anklage, paradoxerweise dann initiiert von den Kassen, den Patientenverbänden, dem BGM, seitens der Gerichte, nicht medizinisch adäquat nach medizinischem Standart behandelt zu haben, oder mich, meine Familie, meine Praxis und damit meine Patienten durch finanziellen Bankrott zu opfern?
Habe ich nur die Wahl, sehenden Auges ins Unglück zu rennen, damit sich die BGM Schmidt die Rettung des Gesundheitswesens auf die Brust heften kann?
Seit Jahren betreibt das BGM Mobbing gegen die Ärzteschaft in höchster Vollendung, setzt sich in öffentlichen Sendungen hin, beteuert wie gut das Gesundheitssystem ist, betreibt aber in Wahrheit meine Vernichtung, schmückt sich nach außen mit guter Behandlungsqualität, lässt mich aber die Arbeit tun bei inadäquater Bezahlung, beschimpft mich als Leistungserbringer, Ressourcenverschwender und Kassenbetrüger, verlangt von mir die Verordnung im Rahmen der Standardtherapie und lässt mich diese dann auch noch teilweise bezahlen, obwohl ich nicht davon profitiere.
Gleichbehandlung - nein danke!
Weder Seehofer noch Schmidt oder wie sie alle heißen, haften mit Irgendetwas für ihre Vergiftungsideen und Taten, werden sich, wenn ich pleite bin, genüsslich mit ca.10.000 € / Monat in die Sonne legen, sich ihre Memoiren gut bezahlen und als „Gutmenschen“ und Retter des Gesundheitswesens feiern lassen.
Was bleibt mir?
MUSS ich nicht jetzt schon Rücklagen bilden, meine Steuervorauszahlungen z.B. auf ein Notaranderkonto überweisen, damit ich, bei Erstzahlung bis zur gerichtlichen Klärung vielleicht noch einen Monat überleben kann?
MUSS ich nicht jetzt schon den Patienten mit den „teuren“ Krankheitsbildern aus wirtschaftlichen Überlebensgründen ablehnen und an die Krankenkasse zur Bezahlung und den MdK zur Behandlung verweisen?
MUSS ich nicht jetzt schon Selbstanzeige erstatten, da ich einen betrügerischen Bankrott bei fehlenden Gegenmassnahmen produziere?
MUSS ich nicht jetzt schon Selbstanzeige erstatten, da ich jetzt schon voraussehbar wissentlich in der Behandlung der Krankheitsbilder gegen jede Therapieempfehlung verstoße?
MUSS ich jetzt schon alle meine betroffenen Patienten zur Krankenkasse schicken und nur noch auf Kostenerstattung behandeln?
MUSS ich dann, wenn es kommt nur noch auf Privatrezept verordnen?
NEIN !
- denn es ist alles noch nicht passiert. Die Lunte brennt zwar, aber vielleicht wird sie noch gelöscht.
Ich MUSS also warten, bis es passiert, auch wenn ich nichts an meinem Verordnungsverhalten ändern kann.
WO bleibt der Aufschrei (!!!) unserer Vertreter bei diesem Bedrohungsszenario?! JETZT, BEVOR es passiert ist?!
WO wird jetzt mit Konsequenzen gedroht und nicht nur diskutiert, bevor es passiert ist? WO wird jetzt schon juristisch kommentiert?
Nichts da? Der kleine einzelne betroffene Vertragsarzt, der Leistungserbringer und damit seine Patienten werden geopfert?
Schöner Beruf, aber ganz traurige Bedingungen !!
Neulich hörte ich den Satz:
„Während die Klugen noch diskutieren, haben es die Dummen schon beschlossen“. Seien wir doch auch jetzt bei Gegenmaßnahmen einmal die Dummen.
Herzliche Grüße
Karl Goslar
Quelle: Facharzt.de 10.12.2005