Wenn es nach Prof. Hoppe, dem Präsidenten der Bundesärztekammer, geht, sollen wir einen Gesundheitsrat kriegen, der darüber entscheidet, welche Krankheiten künftig noch "auf Kasse" behandelt werden, und welche nicht. Zur Begründung weist er auf die bereits bestehende, implizite (heimliche) Rationierung hin und zerrt das Thema aus verschwiegenen Hinterzimmern an die breite Öffentlichkeit.
Dummerweise wird ihm, der jetzt seine fünfte Amtszeit anstrebt, das so ausgelegt, als wolle er dafür sorgen, dass wir Ärzte unseren Patienten künftig die notwendige Behandlung verweigern. Er fordere unkritisch einfach nur mehr Geld, seine Überlegungen seien ethisch nicht haltbar. Andererseits sei ökonomisches Denken nicht automatisch unethisches Denken, von einer Unterfinanzierung des deutschen Gesundheitswesens könne schon gar keine Rede sein: den Ärzten gehe es nicht um Patienteninteressen, sondern um mehr Geld für sich selbst. Ärzte seien nämlich nicht gezwungen, bei manch einem Patienten zu sparen.
Aber Hoppe lässt sich nicht ins Bockshorn jagen. Er kündigt einen verstärkten Dialog mit den Patienten an und wünscht, dass die Versorgung der Bevölkerung und nicht das Dogma der Beitragssatzstabilität wieder im Mittelpunkt stehen müsse. Deutschland brauche einen Politikwechsel, sonst drohe dem System schwerer Schaden.
Jetzt fordert auch noch der Marburger Bund eine ehrliche Debatte über die schleichend eingetretene Rationierung medizinischer Leistungen.
Parallel dazu forderte Dr. Hansen, Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein, dass die Patienten bei jedem Arztbesuch eine Zuzahlung leisten sollten, um unnötige Arztbesuche zu vermeiden: ein freches, absurdes Armutszeugnis, die ohnehin durch die Krankenkassen stark belasteten Patienten noch weiter abkassieren zu wollen. Schließlich bestellten die Ärzte selbst die Patienten immer wieder zu neuen Terminen ein und seien für die hohe Zahl der Praxiskontakte mitverantwortlich. Offensichtlich im Wahljahr ein unpopulärer Stich ins Wespennest.
Die einzige Chance, mehr Transparenz, Wettbewerb und eine ausgewogene Anreizsteuerung umzusetzen, übersieht Hansen leider geflissentlich: das Kostenerstattungsverfahren.
Ich finde jedenfalls, dass die Diskussion über die heimliche Rationierung tatsächlich in der breiten Öffentlichkeit geführt werden muss.
Wir Ärzte verwahren uns dagegen, als stille Handlanger einer bürokratischen, industrialisierten Krankheitsverwaltung missbraucht zu werden, und wir fordern die politische Verantwortung der Gesellschaft ein. Oder die gesellschaftliche Verantwortung der Politik. Bisher drücken die sich nämlich ganz erfolgreich um diese Diskussion herum, und im Wahljahr werden sie das Thema bestimmt nicht freiwillig ansprechen wollen. Das wird noch lustig.
Mittwoch, 13. Mai 2009
Rationierung im Gesundheitswesen
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