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Terminservicestelle Varresbeck

Zum planwirtschaftlichen Unfug der mit dem ab 1.8.2015 geltenden VSG einzuführenden "Terminservicestellen" hatte ich im Januar 2014 schon mal etwas geschrieben. Auch andere haben ihre Meinung dazu gesagt:

Unsinn“, so KBV-Chef Gassen, „aber immerhin haben wir jetzt ein Mitspracherecht bei der Umsetzung“. Na toll...

"...ein wichtiger Schritt zum Abbau der Zwei-Klassen-Me­dizin", befand Karl Lauterbach (SPD), und Jens Spahn (CDU) meinte, man müsse das Thema "endlich abräumen".

Dr. med. Jens Schweizer verweist darauf, dass die "Terminservicestellen" einmalig Einrichtungskosten zwischen 13 und 20 Millionen Euro erfordern werden sowie jährlich zwischen 16,5 und 20 Millionen Euro.

In jedem Fall wird es Bereiche geben, "bei denen die von der Regierung vorgesehene Regelung ins Leere läuft" (Jürgen Wasem).

Dabei war doch die Zugänglichkeit medizinischer Leistungen grundsätzlich auf hohem Niveau auch schon vor der Gesetzesänderung gewährleistet, betonte seinerzeit die Bundesregierung.

Worauf ich hinaus will? Ich musste neulich über meinen Terminservice nachdenken...

In den letzten Jahren hatte ich Patienten, die neu in meine Praxis kommen wollten, immer Termine angeboten. Man braucht ja Zeit und Ruhe, um sich kennenzulernen und Ideen zu entwickeln. Wegen der anhaltend hohen Nachfrage hat es zwischen Terminvereinbarung und Termin meist vier bis acht Wochen gedauert.

Bedauerlicherweise wird rund ein Drittel dieser Termine von "no-shows" missbraucht. Ich kann in der Leerlaufzeit nichts anderes machen, und Zuverlässigere müssen dafür länger auf ihre Termine warten.

Weil die Terminausfälle in der letzten Zeit eher noch zugenommen haben, mache ich das jetzt anders:

Wer meinen Rat braucht, kann zur offenen Sprechstunde (aber nur zu dieser) kommen: Montag oder Freitag von 10 bis 11, Donnerstag von 15 bis 16 Uhr. Ich mache ein Screening von vielleicht 10 Minuten Dauer und entscheide danach, ob ich eine Behandlung anbieten kann.

Wenn Sie von diesem Angebot Gebrauch machen wollen, bringen Sie bitte Zeit mit. Im Durchschnitt beträgt die Wartezeit um die 30 Minuten, aber es können auch schonmal drei Stunden werden.

Ich versuche zwar, die offenen Sprechstunden nicht engmaschig zu belegen, aber es kommt regelmäßig vor, dass ich etliche Leute auch zu diesen Zeiten bestelle, um etwas zu besprechen. Daher wird es immer wieder vorkommen, dass ich vor Ihnen andere Patienten aufrufe, die erst nach Ihnen aufgetaucht sind.

Captain Obvious ist ausgewandert

Gesundheitskökonom Wasem findet das von den Krankenversicherern angewandte Verfahren zur Erfassung zu teurer Ärzte unzureichend und bedenklich: es drohe nämlich eine versteckte Rationierung (weil ein Arzt dazu verleitet werden könne, auf eine Behandlung, die er an sich für sinnvoll halte, wegen möglicher finanzieller Konsequenzen zu verzichten).

Schön, Herr Wasem, dass Sie das auch schon bemerken.

Schade, Herr Wasem, dass sich Ihre Ausführungen auf die Schweiz beziehen. Dass wir hier in Deutschland ein ganz ähnliches Verfahren mit ähnlichen Risiken haben, ist Ihnen vermutlich noch gar nicht aufgefallen.

Teures Bürokratie-Chaos

Da wir gerade bei den explodierenden Verwaltungskosten sind - die Zusatzbeiträge für Krankenkassen könnten die Kettenreaktion noch beschleunigen:

Gesundheitsökonom Jürgen Wasem sieht noch ein weiteres Problem. „Es droht auch ein teures Bürokratie-Chaos, allein weil der Wechselnde ständig neue Versichertenkarten braucht.“

Wasem? Der Inhaber des Lehrstuhls für Medizin-Management der Universität Duisburg-Essen war einer der Konstrukteure des Fondsmodells. Er war auch aktiv beteiligt an der grottenschlechten Umsetzung der Regelleistungsvolumina.

Oder sie wollen mit dieser Finte den Online-Stammdatenabgleich über die "Gesundheitskarte" in den Markt drücken (und damit in die Arztpraxen verlagern). Zutrauen würde ich denen das ohne weiteres.

Noch eine Bankrotterklärung der KVNo

Zum 3. Quartal 2009 wurden die psychiatrischen Gesprächsleistungen zu unbegrenzt abrechenbaren, freien Leistungen.  Im Gegenzug wurde zwar das Regelleistungsvolumen brutal gekürzt, aber das ist ein anderes Thema. Ich hatte seinerzeit den Verdacht, dass das nicht lange gut gehen würde.

Und es hat tatsächlich nicht lange gedauert, bis die neue Punktwertlotterie in Gang gesetzt wurde. Die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein ließ im Dezember 2009 verlauten:

Korrekturen an den Regelleistungsvolumen: Kontingente für die freien Leistungen

Um die Fallwerte zu stabilisieren, haben Krankenkassen und KV Nordrhein die Abrechenbarkeit der freien Leistungen im 4. Quartal 2009 beschränkt.

Dies dürfte das Ende der unbegrenzt mit dem Orientierungspunktwert bezahlten freien Leistungen bedeuten.

Bis 21. Dezember entscheidet im Zweifel der erweiterte Bewertungsausschuss unter Vorsitz von Prof. Jürgen Wasem als unparteiischem Vorsitzenden, mit welcher Variante der Mengenbegrenzung die Praxen bis 2012 rechnen müssen.

Die Befreiung der psychiatrischen Gesprächsleistungen hat also gerade mal drei Monate gehalten. Jetzt kommt eine neue Regelung für das 4. Quartal, die schon im Dezember bekannt gegeben wird. Nachdem das Quartal bereits gelaufen ist. Das ist doch nicht legal, oder etwa doch?

Statt "Variante der Mengenbegrenzung" müsste es übrigens "Einschränkung Rationierung der Patientenversorgung" heißen.