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Wahnsinnswoche 2018:49

In dieser Woche 199 Patientenkontakte und 12 Terminausfälle. Bis auf Weiteres habe ich erst in 10-12 Wochen wieder Termine frei.


Vorletzte Woche war ich auf dem DGPPN-Kongress. Bei dieser Massenveranstaltung (rund 10.000 Teilnehmer) begegneten sich immer wieder Leute, die sofort in einen intensiven Dialog traten. Beliebte Treffpunkte dafür: das Ende der Rolltreppe, der Ausgang von Hörsälen und in den engen Gängen zwischen den Veranstaltungsräumen.

Zum Placebo-Effekt habe ich unter anderem gelernt: der Glaube versetzt Berge. Die Arzt-Patienten-Beziehung stellt einen wichtigen Faktor für die Wirksamkeit oder Unwirksamkeit einer Behandlung dar. Suggestion spielt dabei eine wichtige Rolle.

Behörden sind Orte der Unsicherheit: die Tatsache, dass man in Behörden nie jemanden individuell zur Verantwortung ziehen kann, ist intrinsischer Faktor der Struktur von Behörden. Andererseits ziehen Behörden ängstliche Arbeitnehmer an, sodass sich aus dem Zusammenwirken dieser Faktoren ein hohes krankheitserzeugendes Potential ergibt. Außerdem - und das gilt nicht nur für Behörden - ist die Arbeitsumgebung ein typisches Feld, auf dem sich die Herdenstruktur menschlicher Existenz manifestiert, sodass Machtkämpfe bis hin zum Mobbing an der Tagesordnung sein müssen.

Burnout stellt eine Vorstufe von Stresskrankheiten dar.

Psychopharmaka sollte man LANGSAM und keinesfalls alle auf einmal absetzen. Sonst entsteht ein fetter Reboundeffekt, der unweigerlich in die nächste Krise führt. Bei der Dosisfindung sollen Patientenwünsche berücksichtigt werden. Schon bei der Verordnung der Psychopharmaka sollte auf die zu erwartenden Entzugs- oder Absetzphänomene (die Experten streiten sich noch über den richtigen Begriff) hingewiesen werden.

Paragraf 34 StGb (Rechtfertigender Notstand) genügt nicht zur Rechtfertigung von Zwangsbehandlungen.

Selbstverletzungen bei Borderline haben eine emotions- und affektregulierende Wirkung nicht nur durch den Schmerz, sondern auch dadurch, dass Blut (rot) gesehen wird. Zugrundeliegendes Problem ist das Einsamkeitsgefühl. Mit Neurofeedback lassen sich gute stabilisierende Effekte erzielen.

Die Richtlinie über die Verordnung von psychiatrischer häuslicher Krankenpflege wurde im Juli geändert (pdf), ist aber noch nicht in Kraft getreten. Wichtigste Änderung: kann mit Begründung dann auch länger als vier Monate verordnet werden.


Als ich Montag wieder in die Praxis kam, wurde ich von einem riesigen Berg Post erschlagen. Dutzende Befund- und Attestanforderungen warten seitdem auf Bearbeitung. Da ich auch über einen Mangel an Patientenkontakten nicht klagen kann, muss der Schreibkram noch ein paar Tage warten.

Zu allem Überfluss konnte ich mich zusätzlich noch mit der Telekom vergnügen. Im August hatte ich ein unschlagbares Angebot zur Bandbreitenerweiterung meines Internetzuganges angenommen, das pünktlich zum 1.12. umgesetzt wurde. Blöderweise haben sie mir gleichzeitig meinen TV-Zugang gekappt (wenigstens nicht das Telefon), sodass ich die Hotline heißmachen musste. Am 6.12. hatte ich dann wieder Zugang und die Aussicht auf eine kleine Gutschrift zur Kompensation entgangener Lebensfreude. Wobei, wenn ich mir das Programm so ansehe...


Soulfood: I showed this song to my grass. Now its weed. Vini Vici & Astrix - Adhana

Sie verfügen nicht über eine ausreichende Behandlungsfähigkeit

Da wird sich der Sozialhilfeträger aber freuen:

Sehr geehrte(r) N.N.,

Sie haben bei unserer Krankenkasse die weitere Übernahme der Kosten für psychiatrische Krankenpflege beantragt.

Voraussetzung für die Verordnung von psychiatrischer Krankenpflege ist, dass der Versicherte über eine ausreichende Behandlungsfähigkeit verfügt, um im Pflegeprozess seine Fähigkeitsstörungen positiv beeinflussen zu können und zu erwarten ist, dass das mit der Behandlung verfolgte Therapieziel von dem Versicherten manifest umgesetzt werden kann.

Ausreichende Behandlungsbedürftigkeit liegt dann vor, wenn nachweislich Ressourcen beim Versicherten bestehen, die für eine Zielerreichung erforderlich sind und eine positive Pflege/Behandlungsprognose begründen.

Das Therapieziel ist umsetzbar, wenn Ressourcen, Fähigkeitsstörungen, medizinisch-diagnostische Kriterien und Umweltfaktoren mit diesem Therapieziel nach ärztlichem und pflegefachlichen Ermessen eine realistische, deutlich positive Prognose erlauben. Es muss absehbar sein, dass zumindest in relevanten Teilbereichen in einem überschaubaren Zeitraum eine Besserung so weit möglich erscheint, dass künftig zumindest in diesen Bereichen auf häusliche psychiatrische Krankenpflege wieder verzichtet werden kann.

Nach Einschätzung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung ist aufgrund der vorliegenden Richtlinien zur psychiatrischen Pflege vom 01.07.2005 festzustellen, dass der maximale Gesamtzeitraum von 4 Monaten psychiatrischer Pflege bereits überschritten wird. Für die Besserung der genannten Fähigkeitsstörungen und das Erreichen der genannten Therapieziele besteht keine ausreichende Behandlungsfähigkeit, auch unter Berücksichtigung der bereits längeren Vorbehandlungszeit. Es handelt sich vielmehr um einen Dauerzustand.

Entsprechend wird die weitere psychiatrische Pflege aus medizinischer Sicht nicht befürwortet.

Alternativ ist zu erwägen, ob Leistungen gem. Bundessozialhilfegesetz SGB XII in Betracht kommen, Eingliederungshilfe § 53-60 SGB XII, bei der es um nachgehende Hilfe zur Sicherung der Wirksamkeit der ärztlichen und ärztlich verordneten Leistungen und zur Sicherung der Teilhabe des behinderten Menschen am Arbeitsleben geht.

Ihre grundsätzlich als zweckmäßig erforderlich erscheinende Weiterbetreuung ist somit nicht länger eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung sondern als psychosoziale Langzeitbetreuung eine Leistung des Sozialhilfeträgers.

Eine weitere Kostenübernahme durch die Krankenkasse über den 30.09.2008 hinaus ist somit nicht mehr möglich.

Die Bewilligung wird letztmalig vom 01.08.2008 bis zum 30.09.2008 (siehe Anlage) ausgesprochen.

Wir geben Ihnen somit die Gelegenheit, die Zeit zu nutzen, um mit dem Sozialhilfeträger Kontakt auf zu nehmen um Ihre Betreuungssituation zu ändern.

Eine Durchschrift erhält der Pflegedienst und der behandelnde Arzt zur Kenntnisnahme. Sollten Sie noch Fragen haben, so rufen Sie uns bitte an. Mit freundlichen Grüßen

Rechtsbehelfsbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist der Widerspruch zulässig. Dieser ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Bescheides schriftlich oder zur Niederschrift bei der Krankenkasse einzureichen.

Übersetzt heißt das:

Sie sind so krank, dass Sie keine Behandlungsfähigkeit haben. Weil sie keine Behandlungsfähigkeit haben, sind Sie ein krankhafter Dauerzustand. Als krankhafter Dauerzustand dürfen Sie zwar jederzeit ins Krankenhaus, Ihre teuren Medikamente weiter essen und Ihren Haus- und Facharzt aufsuchen.

Den einzigen, noch verbliebenen Kontakt zur Außenwelt aber, der Sie vielleicht bisher davon abgehalten hat, sich aus dem Fenster zu stürzen, und der sie zusammen mit Ihren Ärzten in Ihrer quälend langen Krankheit begleitet, den dürfen Sie ab Oktober selbst bezahlen. Oder darauf verzichten.

Nicht genug, dass Sie durch Ihre quälend lange Krankheit bereits genügend stigmatisiert sind. Jetzt dürfen Sie auch noch zum Sozialamt.

Ich finde, die Krankenkasse ist nicht konsequent genug. Wenn schon Dauerzustand, dann richtig. Keine Kostenübernahme für stationäre Behandlungen mehr. Keine Kostenübernahme für Medikamente. Keine Arztbesuche.

Aber das trauen die sich nicht. Noch nicht.

Wer ist nach den Demenzkranken an der Reihe?

Künftig sollen offenbar mehrere tausend Langzeitarbeitslose Demenzkranke in Pflegeheimen betreuen. Die Initiative stammt aus den Häusern des Gesundheitsministeriums und der Bundesagentur für Arbeit. (RP Online 16.8.2008)

Das Ministerium, namentlich Herr Vater, bestätigt das. Das sei in der Gesundheitsreform so festgelegt, mit der Agentur verabredet und soll am 1.9.2008 losgehen. Die Arbeitslosen sollen natürlich nicht in die Pflege (es gebe schließlich 15.000 arbeitslose Pfleger). Man will ihnen nicht näher spezifizierte "Betreuungsaufgaben" zuweisen. Oder sollen sie vielleicht doch "vor allem für die Pflege von Demenzkranken" eingesetzt werden? Freiwillig, selbstverständlich.

Ist Sommerloch? Zu heiss? Warum erinnert mich das an die Sache mit den Überraschungseiern?

Mein lieber Vater! Als Politikwissenschaftler, Journalist und in der Pressestelle des BMG gut versorgt, lässt es sich schön zuweisen. Gehen Sie doch mal mit gutem Beispiel und einem unfreiwilligen, unbezahlten Praktikum in einem Pflegeheim in Ihrer Nähe voran. Dann können Sie anschließend gern ein Buch darüber schreiben.

Pflege und Betreuung von Demenzkranken erfordern ein hohes Maß an Engagement, Fürsorglichkeit, Professionalität und Freiwilligkeit. Jemanden im Schnelldurchlauf zu "qualifizieren" und den Kranken dann als freiwilligen Billiglöhner zuzuweisen, das grenzt schon an Körperverletzung. Auf beiden Seiten.

Nicht, dass ich Langzeitarbeitslosen Engagement und Fürsorglichkeit absprechen wollte. Ich kenne einen, der macht das schon seit Jahren. Freiwillig, fürsorglich und engagiert. Das Amt (heute: die Agentur) will ihm freiwillig nichts dafür bezahlen.

Aber: mit fadenscheinigen Argumenten Kritik als arrogant wegzuwischen, einen neuen Billiglohnsektor zu etablieren, die Arbeitslosenzahlen auf Kosten der Pflegeversicherung zu nach unten manipulieren, die Demenzbetreuung zu deprofessionalisieren und das Ganze als "freiwillige Chance zur Rückkehr ins Berufsleben" zu verbrämen, das hat etwas Anrüchiges. Passt wunderbar zu den Anstregungen Ihrer Behörde, das gesamte Gesundheitssystem unter staatlicher Hilfestellung zu einem profitorientierten Kapitalanlagesystem umzufunktionieren.

Möchte nicht wissen, wer Sie dabei beraten hat.

Und wer ist nach den Demenzkranken an der Reihe?

Sozialgericht zur ambulanten psychiatrischen Krankenpflege

Das Sozialgericht Düsseldorf hat am 21.11.2005 einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur weiteren Kostenübernahme für Leistungen der ambulanten psychiatrischen Krankenpflege zugelassen.

Nachdem eine Krankenkasse die ambulante Krankenpflege zum 31.8.2005 für beendet erklärt hatte, verpflichtet das Sozialgericht sie nun, die Kosten im laufenden Widerspruchsverfahren bis zum Abschluß des Hauptsacheverfahrens weiter zu übernehmen (S 8 KR 278/05 ER).

"Sozialgericht zur ambulanten psychiatrischen Krankenpflege" vollständig lesen

Neuordnung der ambulanten psychiatrischen Krankenpflege

Zum 1.7.2005 tritt die Neufassung der Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Verordnung von "häuslicher Krankenpflege" nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 und Abs. 7 SGB V in Kraft. Diese regeln die Verordnung häuslicher Krankenpflege, ihre Dauer und die Genehmigung durch die Krankenkassen sowie die Zusammenarbeit der Vertragsärzte mit den die häusliche Krankenpflege durchführenden ambulanten Pflegediensten und den Krankenhäusern.

Die erste Fassung der Richtlinien für häusliche Krankenpflege gemäß Beschluss vom 25.10.1999 enthielt keine Regelung für die häusliche Krankenpflege von psychisch kranken Menschen (psychiatrische Krankenpflege).

Die Auswertung internationaler und deutscher Studien erbrachte Teilinformationen, die in der Richtlinie berücksichtigt werden sollten. Als wesentliche Aussage kann festgehalten werden, dass Evidenzen bzw. übereinstimmende Informationen aus den Studien zu höherem Zeitaufwand für die Pflege psychisch Kranker als für die Pflege rein somatisch Kranker zu entnehmen sind. Das ist aber nach übereinstimmender Auffassung des Unterausschusses "Häusliche Krankenpflege" eine vergütungspolitische und keine ordnungsrechtliche Feststellung.

"Neuordnung der ambulanten psychiatrischen Krankenpflege" vollständig lesen

Verordnung ambulanter psychiatrischer Krankenpflege

Bei der Behandlung seelischer Erkrankungen ist die ambulante psychiatrische Krankenpflege (APK) in vielen Fällen unverzichtbarer Bestandteil eines Gesamtbehandlungsplanes.

Verordnung und Durchführung von APK haben sich seit 1999 für alle Beteiligten zunehmend kompliziert gestaltet, weil

  • Inhalte und Ziele der APK nur unzureichend bekannt sind,
  • keine verbindlichen Richtlinien existieren,
  • Patienten und Angehörige nur unzureichend über Verfahrensabläufe informiert sind,
  • Streitfälle letztlich nur vor Gericht geklärt werden können (es wäre eine politische Aufgabe, den rechtsfreien Raum zu beseitigen),
  • chronisch psychisch Erkrankte, im Vergleich zu chronischen körperlich Erkrankten, schlechter gestellt sind.
"Verordnung ambulanter psychiatrischer Krankenpflege" vollständig lesen