Skip to content

Wahnsinnswoche 2017:52

In dieser Woche 46 Patientenkontakte und 1 Terminausfall.


Für Haldol haben sich die Indikationsbereiche und die empfohlenen Dosierungen geändert.


Ein Soziologe beklagt im ersten Teil seiner Kritik an der Computer- und Datengesellschaft, dass die herrschenden Formen der Computernutzung neuronale Umbau- und Rückbildungsprozesse in Gang setzen. Im zweiten Teil, der sich überwiegend mit der Arbeitswelt beschäftigt, kritisiert er einerseits die unangemessene Verallgemeinerung von neurobiologischen Forschungsergebnissen, während er andererseits feststellt, dass die Prinzipien negativer Vergesellschaftung in die psychische Apparatur von Kindern hineinkriechen. Sozusagen.

Nach Viktor Frankl ist der Mensch selbstdeterministisch. Die neuronale Determinierung ist dabei nur ein Randphänomen: "Wenn ich das Gegenteil gesagt, getan, gefühlt oder gedacht hätte, wäre es ebenso determiniert gewesen."

Der Umschlagpunkt von körperlichen und geistigen Prozessen ist noch immer ein Rätsel.


Ich wünsche Ihnen einen guten Start ins neue Jahr! So überstehen Sie auch den Festtagsblues.

Wahnsinnswoche 2017:51

In dieser Woche 175 Patientenkontakte und 20 Terminausfälle.


Es ist nicht die Aufgabe von Online-Plattformen, sondern der Politik, das Problem mit der Wartezeit (auf einen Therapieplatz) zu lösen. Aber selbst in der Hausarztpraxis der Zukunft müssen Patienten nicht mehr im Wartezimmer sitzen - stattdessen stellt der Arzt per Videochat eine Diagnose und empfiehlt ein Medikament oder verordnet Bettruhe.


Ich wünsche Ihnen schöne Weihnachten!

Wahnsinnswoche 2017:50

In dieser Woche 172 Patientenkontakte und 19 Terminausfälle.


Antidepressiva (SSRI) wirken nicht nur über die direkte Serotoninwiederaufnahmehemmung, sondern unabhängig davon auch über die Regulation der Kalziumkanäle und der neuronalen Plastizität.


Ein neues Medikament soll den Krankheitsprozess bei Chorea Huntington verlangsamen.


Nach einer Studie des Robert-Koch Instituts nimmt nur etwa ein Drittel der Personen mit depressiver Symptomatik Kontakt zu Psychotherapeuten und Psychiatern auf. Das entspricht der langjährigen Erkenntnis, dass auch Personen mit klinisch relevanten depressiven Störungen mehrheitlich unbehandelt bleiben.

Zentrales Ergebnis ist auch, dass ein Zusammenhang zwischen dem regionalen Angebot (Versorgungsdichte) und der Höhe der Inanspruchnahme besteht (Captain Obvious lässt grüßen), sodass die wohnortnahe Versorgung ausgebaut werden sollte.

Anderswo heißt sowas "angebotsinduzierte Nachfrage" und wird als als gesundheitspolitisches Problem bezeichnet: "Die Informationsasymmetrie zwischen Arzt und Patient gibt dem Arzt die Möglichkeit, auf den Umfang der „Nachfrage“ nach seinen Leistungen zu seinem ökonomischen Vorteil Einfluss zu nehmen. Bei entsprechender Information über Diagnose- und Therapiemöglichkeiten hätte der Patient diese Leistungen nicht nachgefragt." Kontext: [1]


Cannabidiol has beneficial effects in patients with schizophrenia. Kontext: [1]


Zwölf Jahren dauerte die Suche nach der Ursache für bipolare Störungen. Jetzt steht fest: es gibt mindestens sieben...


Der Weihnachtsmann und Rudolph müssen mal reden.


Ich hatte letzte Woche schonmal was zu den Ursachen der Depression. Jetzt kam noch ein Nachschlag.

Ich kann dazu nur sagen: natürlich hat eine depressive Erkrankung nicht eine Ursache, und natürlich lassen sich die pathopysiologischen Prozesse nicht monokausal erklären. Immer spielen biologische, individuelle und soziale Faktoren zusammen eine Rolle. Es gibt zwar auch heute noch die früher als "endogen" bezeichneten Verläufe, die anscheinend oder tatsächlich unabhängig von äußeren Faktoren eigendynamisch ablaufen, aber meist bestehen Zusammenhänge zwischen akuten oder chronischen emotionalen oder Stressbelastungen und der daraus resultierenden depressiven Entwicklung.

Man kann das Ganze natürlich - wie in den beiden Artikeln - auf eine politische Diskussionsebene heben und von neoliberalen Schuldzuweisungen an das Individuum faseln. Im Alltag hat sich alternativ eine pragmatische Herangehensweise bewährt, bei der die verschiedenen Einflussfaktoren betrachtet und Bewältigungsstrategien erarbeitet werden müssen. So etwas ist zeitaufwendig und kompliziert und erfordert oft eine längere, auch psychotherapeutische Begleitung.

Unabhängig von den Entstehungsbedingungen führen depressive Entwicklungen aber erstaunlich reproduzierbar auch zu körperlich betonten Symptomen (wie zum Beispiel Schlafstörungen, Antriebs- und motivationale Störungen, Grübelneigung, Kraftlosigkeit, Unruhe und Anspannung, bis hin zu suizidalen Impulsen). Nachweislich bestehen dann auch Veränderungen der synaptischen Aktivitäten und der Neuroplastizität in mehreren funktionellen Systemen, die mehrere Neurotransmitter betreffen. Hier setzt dann die in vielen Fällen nötige Symptomreduktion mit Medikamenten an, die in ebenfalls vielen Fällen zu einer Linderung der Beschwerden und zu einer Stärkung der Selbsthilfefähigkeit beitragen.

Es hilft nicht, diese Zusammenhänge als rein soziales, durch neoliberale Ideologie induziertes Phänomen darzustellen. Oft ist es hilfreicher, sich nicht als - typisch depressiv -faul, nutzlos oder überflüssig zu erleben, sondern darüber aufgeklärt zu werden, dass man behandelbar krank ist. Das nimmt dem Einen oder Anderen schon eine gewaltige Last von den Schultern, und wir können dann gemeinsam über Veränderungen zum Positiven verhandeln.

Wahnsinnswoche 2017:49

In dieser Woche 151 Patientenkontakte und 23 Terminausfälle.


"Menschen können nie Handelsware werden – auch nicht ihre Gesundheit und - nach meinem Dafürhalten - auch nicht als „Arbeitskräfte“. Diese soziale Frage ist in gar keiner Weise gelöst und die durchgehende Ökonomisierung des Gesundheitswesens der falsche Weg." Konrad Schily (FDP) (paywall)


"Die Politik setzt, von Splittermeinungen abgesehen, parteiübergreifend auf die „industrielle Gesundheitswirtschaft“ als Motor zukünftiger gesamtgesellschaftlich ökonomischer Prosperität. Da gelten nun einmal die Spielregeln industrieller Produktion, nicht aber die Maßgaben einer partikularen, ärztlichen Standesethik." Paul Unschuld über die Ökonomisierung der Medizin.


Apropos Ökonomisierung: Die US-Drogeriekette CVS will für rund 69 Milliarden Dollar den Versicherungskonzern Aetna kaufen.


Vorsicht beim Surfen im Netz: es besteht ein "immanentes Privatsphärerisiko". Kritisch sind Tracker etwa auf Websites von Krankenhäusern. Auf einer HIV-Infoseite beispielsweise wurden "zahlreiche Tracker" entdeckt. Sie erfahren auch, wenn ein Nutzer den Button zur Terminvereinbarung anklickt und sich offenbar für eine HIV-Beratung interessiert.


In China wurde Anfang November der erste Roboter nach Bestehen einer schriftlichen Prüfung, die bisher Menschen vorbehalten war, als Medizinassistent mit Anamnese- und Diagnose-Berechtigung eingestuft.


Es ist verquer, falsch und auch politisch brisant, der Allgemeinheit weiszumachen, sie überschätze den Einfluss psychosozialer Einflüsse auf Depressionen gegenüber den biologischen.


Kaufen Sie sich ein Haus. Dann sinkt Ihr Risiko, an Schizophrenie zu erkranken. Scherz beiseite: die verbreitete Ansicht, dass Schizophrenien und andere Psychosen in allen Ländern gleich häufig auftreten, ist offenbar nicht korrekt. Eine Studie in JAMA Psychiatry ermittelt deutliche Schwankungen zwischen 17 Regionen, davon 16 in Europa, die auf starke soziale Einflüsse hinweisen.


Soulfood: Orkestra Obsolete play Blue Monday using 1930s instruments. Hier das Original.


KBV-Chef Gassen zur Bürgerversicherung: das Problem seien nicht verschiedene Versicherungsarten, sondern der Dauerzwangsrabatt der Ärzte an die Krankenkassen.

Wahnsinnswoche 2017:48

In dieser Woche 125 Patientenkontakte und 6 Terminausfälle. Nein, vor Weihnachten habe ich definitiv keine Termine mehr frei. Im Januar ist es auch schon eng. Im Februar könnte es wieder klappen...


Lauterbach (SPD) will die Bürgerversicherung (die Grünen, die Linke und Teile der AfD übrigens auch).

Warum?

Nach einer Studie der Bertelsmann-Stiftung soll der Staat dadurch in den nächsten 15 Jahren rund 60 Milliarden Euro einsparen. Nix mit Gerechtigkeit oder so.

"Jeder Mensch braucht im Winter eine dicke Jacke. Die gibt es nun aber für 50 Euro, für 500 Euro und sicher auch für 5.000 Euro. Ein Gesetz, das jeden verpflichten würde, künftig nur noch die 50-Euro-Jacke zu tragen, wäre nicht links, sondern ballaballa." (Aus einem gutgemeinten  Plädoyer für ein steuerfinanziertes Gesundheitswesen. Das dort angeführte Argument mit "Straßen, Schulen oder Feuerwehr" zieht aber in meinen Augen nicht so richtig...)


WTF der Woche: ein Fünftel der Deutschen glaubt doch tatsächlich, Menschen mit Depression müssten sich einfach nur zusammenreißen und als Therapie Schokolade essen.


Feelings are real but they aren't reality.


Vitamin D soll - gerade in der dunklen Jahreszeit - bei verschiedenen psychischen Erkrankungen hilfreich sein. Aber Vorsicht: zwei Fallberichte zeigen, dass die Einnahme von vermeintlich harmlosen Vitamin-D-haltigen Nahrungsergänzungsmitteln oder Präparaten schädlich sein kann. Beide entwickelten ein akutes Nierenversagen bei ausgeprägter Hyperkalzämie. Nehmen Sie nicht mehr als 800 IE pro Tag!


Soulfood: First Techno (Kraftwerk 1970). Und: "Tanzmusik" (1973).


Und noch ein Video. Es geht um die Machenschaften der Pharmaindustrie: Die Impfgegner-Lüge. (Witzig. Nehmen Sie das bloß nicht ernst...)


Nulla placere diu nec vivere carmina possunt quae scribuntur aquae potoribus. Machen Drogen womöglich kreativ? Hint: Nein. Aber die Vermutung liegt nahe, dass diejenigen Eigenschaften, die einen Menschen neugierig, offen und kreativ machen, ihn auch gerne zu Rauschmitteln greifen lassen.


Fühlen Sie sich manchmal beobachtet? Sie könnten Recht haben: ein Team von Computerwissenschaftlern der Stanford University hat vorgeführt, wie sich aus Bildern von Google Street Views für Orte, Stadtteile und Straßen ableiten lassen soll, welches Einkommen und welchen Bildungsgrad die dort lebenden Menschen haben, welcher Ethnie sie angehören und wie sie wählen.

Dazu passend: De Maizière (CDU) will, dass die Industrie dem Staat exklusive Zugriffsrechte einräumen soll, etwa bei privaten Tablets und Computern, Schließanlagen von Fahrzeugen, Smart-TVs oder digitalisierten Küchengeräten. Wenn Sie also zufällig in einer Gegend wohnen, wo die CDU keine Stimmen holt, müssen Sie sich künftig über nichts mehr wundern ...


Suchen Sie noch ein Weihnachtsgeschenk für Katzenfreunde?