Warum ich nicht mehr arbeite?
In der vergangenen Woche hatten zahlreiche Arztpraxen geschlossen. Hat jemand unsere Beweggründe verstanden?
Sie wollen Zahlen, Daten, Fakten? Ok.
2005 wurde eine neue Gebührenordnung für die Behandlung von Kassenpatienten erlassen. Googeln Sie mal nach EBM2000, dann werden Sie die finden und feststellen, daß die schwierigen Verhandlungen zwischen Ärztefunktionären und Krankenkassen bis zur Verabschiedung so um die fünf Jahre gedauert haben.
Zwischen Ärztefunktionären und Krankenkassen wurde dann der Wert einer sogenannten "Arztminute" mit 0,779 €/min vereinbart. Das entspricht - nach Abzug von Kosten - 46,74 €/Stunde. Davon ziehen Sie bitte noch Renten- und Kranken- und Pflegeversicherung und die anderen Vorsorgeaufwendungen ab, bevor es an die Steuern geht.
Damit das Ganze nicht zu teuer wird, wurden gleichzeitig Mengenbegrenzungen festgelegt. In meinem Fall heißt das, daß ich im Quartal rund 300 Menschen behandeln darf. Jeder Patient mehr bringt zwar mehr Arbeit, so daß es nicht so schnell langweilig wird, aber keinen zusätzlichen Cent.
An diese Mengenbegrenzung habe ich mich als vernünftiger Mensch natürlich gehalten. Ich will ja nicht dafür verantwortlich gemacht werden, daß die Behandlung von kranken Menschen unfinanzierbar wird. Dummerweise sind dadurch die Wartezeiten auf einen Termin länger geworden... aber das ist ein anderes Thema.
Jetzt blicke ich auf die Abrechnungen der Kassenärztlichen Verwertungsagentur (KV) und stelle fest:
Statt, wie vereinbart, 46,74 €/Stunde zahlt mir die KV 2006 durchschnittlich nur 23 €/Stunde, also die Hälfte. Und fühlt sich dabei auch noch im Recht, weil sie ja einen völlig undurchsichtigen Honorarverteilungsvertrag gemacht hat (mit den Kassen, nicht mit mir) und auf der Basis mir und meinen Kollegen langsam, aber sicher den Hals umdreht.
Meine Arbeit besteht darin, kranken Menschen Behandlung, Beratung, Hilfe und Unterstützung anzubieten. Soziale Verantwortung wird mittlerweile nicht mehr honoriert. Die Behandlung kranker Menschen ist für die Gesellschaft offensichtlich uninteressant geworden. Ständig werde ich zu allem Überfluß zusätzlich dazu aufgefordert, Medikamente und andere Dienstleistungen auch noch selbst zu bezahlen. Ich bin gezwungen, Nebenverdienste aufzutreiben, um meine Familie ernähren zu können.
Ich werde mich irgendwie durchschlagen. Sozialhilfe vielleicht. Dann krieg ich das Gleiche, muss aber nicht 60 Stunden dafür malochen. Meine Patienten werden allerdings der "Gesundheitswirtschaft" zum Opfer fallen.
Schönen Profit noch!
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