Die Bundeskanzlerin, BigData und die elektronische Gesundheitskarte – ein Großangriff auf die informationelle Selbstbestimmung

Datenschutzrheinmain/ Januar 11, 2017/ alle Beiträge, Telematik-Infrastruktur/ 8Kommentare

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat am 09.01.2017 auf der Jahrestagung des Dt. Beamtenbunds (dbb) in Köln gesprochen. In ihrer Rede hat sie erneut eine massive Absage an das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung formuliert und sich für eine weitgehende wirtschaftliche Verwertung von großen Datenmengen positioniert. Festgemacht hat Sie ihre Positionen ausdrücklich auch am Umgang mit Gesundheits- und Patientendaten. Dabei scheut sie auch nicht davor zurück, die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Informationellen Selbstbestimmung als falsch bzw. nicht mehr zeitgemäß darzustellen:

Das, was wir mal in der Verfassungsrechtsprechung hatten, nämlich dass das Prinzip der Datensparsamkeit gilt, mag für einzelne Bereiche richtig sein. Aber die Wertschöpfung der Zukunft – vom Bundesgesundheitsminister ist gerade heute ein Artikel darüber in der Zeitung zu lesen – wird nicht mehr damit auskommen, dass man möglichst wenige Daten hat, sondern es wir darauf ankommen, aus vielen Daten möglichst interessante Schlussfolgerungen und Anwendungen zu schöpfen. Da müssen wir in Deutschland sicherlich an vielen Stellen noch ein Stück weit umdenken.“

Im weiteren Verlauf ihrer Rede kommt Frau Merkel noch zwei Mal auf die elektronische Gesundheitskarte (eGk) zu sprechen:

„Ich verfolge, seitdem ich Bundeskanzlerin geworden bin, die Einführung der Gesundheitskarte in Deutschland und höre jetzt mit Freude, dass die ersten Testversuche mit geringen Datenmengen auf der Gesundheitskarte nun in einigen Regionen Deutschlands auf den Weg gebracht wurden. Ich kann nur sagen: Wenn das das Tempo der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung sein wird, dann werden wir nicht sehr erfolgreich sein, sondern in Kürze zu den Entwicklungsländern weltweit gehören.“

„Vor mehr Transparenz mag sich manch einer bei der Gesundheitskarte fürchten; das kann ja sein. Wenn man jeden Arztbesuch auflisten kann, dann ist das für die Eigenverwaltung der Ärzte vielleicht nicht immer toll. Für die Krankenkassen ist das schon erhellender. Und für den Patienten schränkt es die freie Arztwahl noch nicht ein.“

Dass Frau Merkel hier pauschal zehntausende von ÄrztInnen verdächtigt, sie wollten ihr Handeln und Ihre Abrechnungen mit den Krankenkassen nicht transparent gestalten, ist schon schlimm genug.

Aber was soll uns das Wort noch im Satz „Und für den Patienten schränkt es die freie Arztwahl noch nicht ein“ sagen?

  • Ein Freud‘scher Versprecher?
  • Oder schon eine Absichtserklärung?
  • Und wenn letzteres der Fall sein sollte: Steht auch die vorherige Einwilligung der Versicherten in die elektronische Erfassung ihrer Krankheits- und Behandlungsdaten (§ 291 Abs. 5 SGB V) auf dem Prüfstand der Bundeskanzlerin und ihrer Bundesgesundheitsministers?

8 Kommentare

  1. Hier wird aus 1. Hand ersichtlich, wohin die Reise gehen soll.
    Nicht mit uns! Jedenfalls nicht ohne Widerstand von uns
    Uli

  2. Es bleibt leider eine Schande für unseren Rechtsstaat

    Auch wenn nichts anderes zu erwarten war – da sie sich damit vor ihren Gesundheitsminister stellt, der eben dieses nach geltendem Recht grundrechtsverletzende und somit verfassungswidrige E-Health-Gesetz erlassen hat.

    Jedoch in aller Öffentlichkeit bestehende Grund- und Menschenrechte in Frage zu stellen, obwohl diese gerade bei diesem höchst sensiblem Bereich und der eben drohenden völlig irreparablen Folgeschäden wichtiger denn je sind, zeigt leider wieder einmal, wie es sogar seitens der Volks-Vertreter um dessen Rechtsbewusstsein bestellt ist.

    Weshalb die vermehrte Politik- und Rechtsverdrossenheit nur eine normale Folge solcher Dinge ist.

  3. Im Moment können mein Mann nicht mehr zum Arzt, wir versuchen gesund zu bleiben. Der Druck auf Verweigerer wird immer harscher. Wenn ich das lese, dann kann man zumindest noch ein Stück Wahrhaftigkeit in Frau Bundeskanzlerin finden: Die Leute auszunehmen und die Daten zum Kommerz zu machen. Widerstand leisten wir, was auch immer kommt. Jetzt erst recht….

  4. Pingback: Wahnsinnswoche 2017:02 - Dr. med. Ewald Proll :: Arzt für Psychiatrie / Psychotherapie

  5. Ich bin chronisch krank und kann nun nicht mehr zum arzt meine Medikamente holen.
    Für eine Privatabrechnung bin ich zu arm, einen Behandlungsausweis bekomme ich von der BARMER GEK nicht.
    Was mache ich bei einem akkuten Asthmaanfall?
    Es ist menschenverachtend wie die mit zahlenden Mitgliedern umgehen.
    Währe ich ein fieser Mensch würde ich nun behaupten: Als Asylbewerber hätte ich keine Probleme an eine ärztliche Versorgung zu kommen. Bitte nich falsch verstehen!
    Mein Unmut richtet sich nicht auf Asylbewerber, sondern auf das System und diejenigen die es durchdrücken.

    1. Mein Mann und ich können auch nicht mehr zum Arzt. Ich habe die gebrochene Zehe ganz gut alleine hinbekommen. Meine Frauenärztin hat mich wegen der fehlenden Karte rausgeworfen und das macht sie auch mit allen anderen in der Praxis. Es geht nur um Mammon. Daten sind das Gold im 21. Jahrhundert, so Frau Dr. Merkel. Es ist menschenverachtend. Alleine die neue Nummer macht einen zur Nummer, die wir dann auch für die Eliten sind. Soweit ich weiß, behandelt ein Notfallarzt immer oder das Krankenhaus. Wir haben die DAK, übrigens. Die dürfen m. E. auch Rezepte im Krankenhaus ausstellen. Konfrontiere diese Verbrecher der Barmer GEK und zeige sie wegen unterlassener Hilfeleistung mit Vor – und Nachnamen an, gehe vor das Sozialgericht, da gibt es auch finanzielle Hilfe bezüglich des Klagens. Für Dich viel Kraft. Wir werden bis zum bitteren Ende boykottieren, da viele Wegbegleiter nun schon aufgegeben haben. Wir haben die Nase voll.

  6. Letztlich ist eben diese willkürliche Regelung genau dafür erlassen worden, um spätestens in solch einer Situation doch jeden in dieses gefährliche System zubringen …

    Nur ist eben dennoch aufgeführt, dass der erworbene grundsätzliche Anspruch beitragszahlender Versicherte auf sämtliche Leistungen erhalten bleibt. Sonst würde diese Regelung ja auch gegen jegliche rechtsstaatlichen Grundsätze verstoßen. Wodurch sich eben die Krankenversicherungen straf- und haftbar, für solche dadurch entstehenden sog. kausalen Folgeschäden und Aufwendungen, machen würden.

    Und genau deshalb ist zumindest mir noch kein einziger Fall bekannt, wo jemandem wirklich benötigte Leistungen verweigert wurden. Denn die Krankenversicherung würde ich erst einmal sehen wollen, die sich bei dieser Rechts- und Tatsachenlage auf einen Schadenersatzprozess einlassen würde.

    Aber, vielleicht muss es leider -wie so oft- wirklich erst einmal dazu kommen, damit dann durch die Medien dieses Unrechtsbewusstsein überhaupt beim Rest der Gesellschaft ankommt und endlich behoben wird.

  7. Frau Dr. Angela Merkel und alle anderen privat versicherten Politiker etc. , die die eGK und die Telematik – Infrastruktur postulieren, sollen doch bitte mal mit gutem Beispiel vorangehen und ihre persönlichen Gesundheitsdaten ins Netz und der Gesundheitsindustrie bedingungslos nachweislich zur Verfügung stellen …

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