Skip to content

ADHS-Medikamente: Kassen müssen nicht für Erwachsene zahlen

Kassen müssen Erwachsenen ADHS-Medikament nicht zahlen Vor Gericht Nachrichten 123recht.net

Erwachsene mit der Konzentrationsstörung ADHS haben keinen Anspruch auf Medikamente mit dem Wirkstoff Methylphenidat. Wie am Dienstag das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel entschied, müssen die gesetzlichen Krankenkassen das Mittel nur für Kinder ab sechs Jahren sowie Jugendliche bezahlen. (Az: B 1 KR 5/09/ R)

Die Revision des Klägers erwies sich als unbegründet. Er hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die seit Oktober 2004 angewandten Methylphenidat-haltigen Arzneimittel sowie auf künftige Versorgung mit "Concerta Retard". Denn der Kläger hat keinen Naturalleistungsanspruch auf Methylphenidat-haltige Mittel. Sie sind bisher in Deutschland und EU-weit arzneimittelrechtlich nur für Kinder über sechs Jahre und Jugendliche, nicht aber für Erwachsene zur Behandlung von ADHS zugelassen. Die Krankenkassen dürfen aber grundsätzlich Arzneimittel für eine Anwendung außerhalb ihrer Zulassung nicht gewähren. Eine Versorgung des Klägers nach den Grundsätzen des Off-Label-Use scheidet aus: Wie das LSG beanstandungsfrei angenommen hat, bestand nach der Datenlage nicht die erforderliche Aussicht auf einen Behandlungserfolg. Die vom Kläger angeführte "EMMA-Studie" (abgeschlossen 2007, publiziert Januar 2009) ergibt nichts anderes. Sein Fall bietet auch keinen Anlass, die Off-Label-Use-Anforderungen beim Einsatz von Kinderarzneimitteln für Erwachsene zu modifizieren. Der Kläger erhielt Methylphenidat erstmals mit 19 Jahren. Der Gebrauch birgt bei labilen Erwachsenen weitergehende Gefahren als bei einem engmaschigen überwachbaren Einsatz schon im Kindesalter (Suchtpotenzial; Missbrauchsmöglicheit durch nicht bestimmungsgemäße Zufuhr). Der Kläger wurde auch nicht schon als Kind oder Jugendlicher indikationsbezogen versorgt und will nicht nur eine Weiterführung der Therapie. Anhaltspunkte für einen "Seltenheitsfall", ein "Systemversagen" oder eine notwendige verfassungskonforme Erweiterung des Leistungsrechts des SGB V bestehen ebenfalls nicht. Für den krankenversicherungsrechtlichen Anspruch ist es ohne Belang, dass deutsche ärztliche Leitlinien Methylphenidat auch bei Erwachsenen mit ADHS als "Mittel der ersten Wahl" ansehen. Ebenso ist unerheblich, dass der Wirkstoff im Ausland zT eine Erwachsenenzulassung besitzt; an den qualifizierten Voraussetzungen für einen Einzelimport ( § 73 Abs 3 AMG) auf Kosten der Krankenkassen fehlt es.

SG Mannheim - S 4 KR 3802/05 -
LSG Baden-Württemberg - L 5 KR 6030/06 -
Bundessozialgericht - B 1 KR 5/09 R

Die Normen der Aufmerksamkeitskultur

Über die Ursachen von psychischen Störungen wie ADHS wird gestritten. Einige Forscher gehen soweit auszuschließen, dass ADHS mit den Begebenheiten der modernen Zivilisation zu tun hat. Dabei zeigen Beobachtungen, dass unter bestimmten Lebensbedingungen die Krankheit kaum zum Tragen kommt.

Wenn wir in einer Stabhochspringerkultur lebten, gäbe es sicher viele Kinder mit einem Stabhochsprungdefizit, das entsprechend als Krankheit definiert und behandelt würde. Unsere Gesellschaft braucht aber nun einmal keine besonders bewegungshungrigen Menschen, sondern eher solche, die möglichst lange still sitzen und auf einen Computerbildschirm starren können.


::: Wie Ritalin & Co. im Gehirn und der hyperaktiven Gesellschaft wirken ::: Telepolis 20.11.2006