Westdeutsche Zeitung - Honorar-Chaos: Aufruhr unter Ärzten
Rolf Rosenbrock vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung kritisiert, dass viele Ärzte ihre Patienten „in Geiselhaft“ nähmen: "Insgesamt haben die Ärzte noch immer nicht begriffen, dass ein Berufsgruppe, die im Schnitt 100 000 Euro verdient, nicht derart laut schreien sollte."
Ich schreie gleich noch lauter, Rosenbrock. Ich bin es wirklich Leid, als „Geiselnehmer“ bezeichnet zu werden, nur, weil ich von meinen Grundrechten Gebrauch mache. Behandeln Sie andere Berufsgruppen, die für ihre Rechte demonstrieren, auch so unfair?
Die dilettantische Gesundheitspolitik führt immerhin dazu, dass in der ambulanten Patientenversorgung 500.000 Arbeitsplätze, meist Frauenarbeitsplätze, gefährdet sind. Während für andere, deutlich kleinere Branchen fleißig Rettungspakete geschnürt werden, lenken GesundheitspolitikerInnen und selbsternannte GesundheitsexpertInnen von ihrem eigenen Versagen ab.
Dabei waren es Bundes- und Landesministerien, die direkten Einfluss auf die Verhandlungen zwischen Ärzten und Krankenkassen genommen haben, und die dafür gesorgt haben, dass der Wert ärztlicher Arbeit zum Jahresanfang mal eben um 30% abgesenkt wurde.
Als Psychiater soll ich nun immer mehr PatientInnen in immer kürzerer Zeit abfertigen, für eine monatliche „Flatrate“ von rund 15 Euro. Sie können sich vorstellen, dass darunter die Qualität leidet, wenn ich immer weniger Zeit für meine PatientInnen habe. Und ab April soll ich dann nur noch 13 Euro bekommen. Das ist leider kein Witz, und ich kann auch nicht darüber lachen.
Wer hier von „Geiselnahme“ spricht, sollte sich vergegenwärtigen, dass derzeit die Politik ein ganzes Volk als Geisel nimmt, um ein sozialtechnisches Experiment mit völlig ungewissem Ausgang durchzuführen. Wenn das, was sich zurzeit abzeichnet, Wirklichkeit wird, dann werden Sie sich nicht mehr über „streikende“ Ärzte ärgern müssen. Dann werden Sie händeringend Ärzte suchen müssen.
Denn diese Politik macht krank.