Leistungsbeschreibung ambulante psychiatrische Krankenpflege
- Beziehungsgestaltung
- Wahrnehmen und Beobachten des jeweiligen Krankheitszustandes und der Krankheitsentwicklung
- Feststellen, beobachten und dokumentieren des jeweiligen Zustandes der Pflegebedürftigkeit und dessen weitere Entwicklung
- Anregung/ Abstimmung therapeutischer, pflegerischer und ergänzender Maßnahmen
- Zusammenarbeit mit dem behandelnden Arzt
- Hilfe bei der Medikamenteneinnahme
- Vorsorge bei Suizid- / Fremdgefährdung
- Krisenintervention
- Aktivierung zur elementaren Verrichtung/Training elementarer Fertigkeiten
- Psychische Entlastung im Alltag
- Geistiges und psychisches Training
- Hilfe beim Umgang mit beeinträchtigenden Gefühlen, Wahrnehmungen und Verhaltensweisen
- Erarbeitung krankheitsangemessener Sicht- und Verhaltensweisen
- Hilfe bei der Tages- und Wochenstrukturierung / Freizeitstrukturierung
- Zusammenarbeit mit Familienangehörigen / Partnern
- Kontaktaufnahme und Kooperation mit anderen psychiatrischen Diensten, Fachpersonal und Institutionen (Überleitungspflege)
Qualitätsaspekte
Qualitätskontrolle findet bei Vertragsabschluß des Pflegedienstes mit den Krankenkassen statt (z.B. Liste der Mitarbeiter und der Qualifikationen, Zusatzausbildungen, Tätigkeitsnachweise). Eine der Voraussetzungen für die Qualität der Pflege ist die bestehende, gesetzliche Forderung der Mindestqualifikation für Pflegepersonen (mindestens 2 Jahre Psychiatrieerfahrung oder Ausbildung zum Fachpfleger / zur Fachschwester). Bis zu 4 Fachkräfte sind Voraussetzung für die Zulassung.
Die weitere Qualitätsprüfung wird bei der Entscheidung über die Kostenübernahme an Pflegekräfte/Ärzte des MDK delegiert (Beurteilung der Ergebnisqualität, mit Bewertung der Pflegeziele, des Behandlungsplanes).
Nach §37 SGB V ist ambulante Krankenpflege als delegierte ärztliche Leistung anzusehen, so daß die Verantwortung für die ordnungsgemäße Durchführung beim verordnenden Arzt liegt.
Organisatorische Aspekte
Der Patient beauftragt einen Pflegedienst, der Arzt bescheinigt die Notwendigkeit.
Sachbearbeiter allein fühlen sich nicht qualifiziert, eine Entscheidung zu treffen. Problematisch ist der massive Arbeitsaufwand zum Quartalswechsel (ca. 1400 Verordnungen allein bei der BEK, davon 85 APK, müssen bearbeitet werden). Lange Bearbeitungszeiten sind die Folge.
Bei Unklarheiten wird der MDK eingeschaltet, der nach Aktenlage entscheidet (der dabei fehlende, persönliche Eindruck kann das Ergebnis allerdings verfälschen). Der MDK begutachtet nach Aktenlage, weil die Personalbemessung keine Besuche bei Patienten zuläßt. Er liefert der Krankenkasse eine medizinische Empfehlung, trifft aber keine Entscheidung (was oft anders dargestellt wird: die Krankenkasse hat einen eigenen Ermessensspielraum).
Bei eng ausgelegter Interpretation der Richtlinien für die ambulante Krankenpflege existiert APK nicht, die angekündigte Regelung fehlt bis heute. Es stellt sich die Frage, ob diese Lücke gesellschaftlich oder politisch gewollt ist. Aus medizinischer Sicht (auch des MDK) besteht kein Interesse, den Nutzen der APK insgesamt in Frage zu stellen: qualifizierte Pflege ist Bestandteil eines Gesamtbehandlungskonzeptes.
Widerspruch gegen eine Entscheidung der Krankenkasse kann nur der Patient oder sein gesetzlicher Vertreter einlegen, nicht der verordnende Arzt. Die verordnenden Ärzte können aber die Begründung für den Widerspruch (nach-)liefern.
Die Durchsetzung von Ansprüchen hängt unmittelbar von der Qualität der Verordnung ab: bei Psychiatern und Nervenärzten werden unqualifizierte Stellungnahmen, aversives Verhalten, starr hierarchisches Denken beobachtet und beklagt.
Gegen Bescheide der Krankenkassen kann innerhalb eines Jahres (sofern die Kasse keine andere Frist gesetzt hat) Widerspruch eingelegt werden. Patienten und Angehörige müssen über diese Möglichkeit und über den Gang des Verfahrens informiert werden. Wegen der speziellen Probleme der Klientel (z.B. verschwundene Post oder versäumte Fristen) ist der Verfahrensablauf zusätzlich kompliziert. Angehörige ziehen sich gelegentlich aus dem Umgang mit psychisch Kranken zurück, um sich selbst zu schützen: dadurch werden berechtigte Ansprüche oft nicht verfolgt, da die Betreffenden selbst meist nichts unternehmen können, wenn Anträge abgelehnt werden.
Pflegedienste können Patienten, Angehörige und gesetzliche Betreuer allgemein informieren, sie können (dürfen) aber keine Rechtsberatung leisten. Nach ablehnendem Widerspruchsbescheid muß ggf. ein Rechtsanwalt hinzugezogen, eine Klage vor dem Sozialgericht erwogen werden.
Pflegedienste gehen erhebliche finanzielle Risiken ein, wenn sie die APK trotz Ablehnung zunächst fortsetzen (bei qualifizierter Ablehnung bleibt nur der Weg zum Sozialgericht), obwohl sie kein ökonomisches Interesse daran haben, Verordnungen auszuweiten oder daran festzuhalten. Ohnehin bestehen massive Versorgungsengpässe - es wird mehr Pflege angefragt, als angeboten werden kann.
Nach unbestätigten Informationen soll, laut § 86a Sozialgerichtsbarkeit, die Krankenkasse bis zur Entscheidung des Sozialgerichtes weiter zahlen müssen.
Häufige Probleme
Die Begriffe Krankheit und Behinderung werden bei psychischen Erkrankungen oft widersprüchlich beurteilt, es ergeben sich problematische Überschneidungen zur Pflegeversicherung und zum Bundessozialhilfegesetz (BSHG). Bei fehlenden Regeln bleibt diese Frage ein gesellschaftliches / politisches Problem.
Tendenziell scheint der Verweis auf das BSHG dem Zwang, Ausgaben zu begrenzen, zu folgen. Trotz steigender Nachfrage nach Leistungen der APK sind die Pflegedienste daher wirtschaftlich gefährdet, da auch den Gemeinden die Mittel fehlen.
Die Abgrenzung von Leistungen der APK, des BSHG (und künftig der Soziotherapie) ist, mangels eindeutiger Richtlinien, schwierig bis unmöglich: es besteht der Verdacht, daß die Einordnung vielfach nicht sachlichen, sondern Kostenargumenten folgt. Entscheidendes Kriterium ist auch hier die Qualität der Verordnung. Etwa 20-30 Personen, die über das Sozialamt krankenversichert sind, erhalten APK. Auch dort ist die Abgrenzung von Angeboten zur Akutbehandlung, bei Behinderung, oder zur sozialen Integration schwierig. Die Verwaltung greift dabei auf medizinische Beratung durch das Gesundheitsamt zurück. Da es, bei der Abgrenzung Behandlungspflege / Pflegeversicherung / Eingliederungshilfe nach BSHG, keine verbindlichen Richtlinien zur Beurteilung gibt, kommen MDK und Gesundheitsamt immer wieder zu widersprüchlichen Ergebnissen. Der MDK wird jedoch künftig nicht mehr auf das BSHG verweisen, wenn Behandlungspflege limitiert wird.
Das Sozialamt übernimmt Kosten für Integrationsleistungen (z.B. Hilfen zur Teilnahme am Leben), die über die von den Krankenkassen getragene Behandlungspflege hinaus gehen. Dabei gilt psychiatrische Krankenpflege als Kassenleistung, laut SGB IX auch bei chronischen Erkrankungen.
Wenn die Krankenkasse die beantragte APK ablehnt, darf das Sozialamt die Kosten dafür nicht übernehmen, wohl aber Kosten für Eingliederungshilfen, allerdings mit dem Nachteil, daß diese Hilfe vermögensabhängig gewährt wird.
Daraus ergibt sich der Nachteil, daß psychisch Kranke einem ablehnenden Bescheid der Kasse nicht widersprechen, und daß sie (oder ihre Angehörigen) nicht wollen, daß das Sozialamt möglicherweise auf das Vermögen (der Angehörigen) zurückgreift (Stigmatisierung durch Bezug von Sozialleistungen). In diesen Fällen werden häufig, bis zur (gerichtlichen) Klärung unentgeltliche Vorleistungen durch die Pflegedienste erbracht. In diesem Zusammenhang wird die Benachteiligung gegenüber körperlich Kranken beklagt: psychisch Kranke werden oft zum Sozialfall.
Streitfälle werden letztlich nur vor Gericht geklärt werden können, da die handelnden Personen an unterschiedliche Gesetze und Bestimmungen gebunden sind. Bei fortbestehender Rechtsunsicherheit werden Musterprozesse vor dem Sozialgericht angestrebt.
Empfehlungen für Patienten, Angehörige, Betreuer
Bei Problemen mit dem Pflegedienst
Mißverständnisse oder Kommunikationsstörungen (etwa durch Berichte über “5-Minuten-Besuche” oder “bloßes Kaffeetrinken”) können nur im persönlichen Kontakt bereinigt werden.
Kritik und Reklamationen sind primär an die Pflegedienstleitung zu richten, bei weiter bestehenden Problemen kann man sich an die Krankenkasse oder an den verordnenden Arzt wenden.
Bei Problemen mit der Kasse
Patienten sollten persönlich beim Sachbearbeiter der Krankenkasse vorsprechen. Fragen oder Probleme können mit den Sachbearbeiter(inne)n persönlich besprochen und geklärt werden.
Bei Ablehnung der APK durch die Kasse in den Fällen, in denen Eingliederungshilfe zu gewähren ist, das Sozialamt ansprechen, das dann, bis zur (gerichtlichen) Klärung in Vorleistung gehen kann. Im Unterschied zu den Patienten selbst sind gesetzliche Betreuer bei der Durchsetzung von Ansprüchen häufig erfolgreicher. Für Zuständigkeitsfragen sind auch die Servicestellen nach SGB IX (in Wuppertal bei der LVA und bei der BEK angesiedelt) Ansprechpartner.
Empfehlungen für Ärzte und Pflegedienste
Zwingend erforderlich für eine positive Entscheidung sind: medizinische Diagnose, konkrete Darstellung der Ziele und Methoden der Behandlung, die Erläuterung der (akuten) Behandlungsbedürftigkeit. Nachteilig sind Hinweise auf “Chronizität” oder “Behinderung”. Gewünscht wird eine effektivere Erfolgskontrolle (sind definierte Behandlungsziele erreicht ?), allerdings fehlen dazu entsprechende Leitlinien.
Die Vordrucke sollten folgende Angaben enthalten: Diagnose im Klartext, Medikamente namentlich (Ankreuzfeld nicht vergessen), APK explizit nennen (nicht: psychosoziale Betreuung!), korrekte Verordnungszeiträume (3 bis zu 6 Monate), Erstverordnung immer 14 Tage, bei späterer Ausstellung (Quartalsende, Urlaub) begründen, inhaltliche Begründung (warum, welche Maßnahmen, welches Behandlungsziel), Hinweise auf fehlende Compliance oder fehlende Krankheitseinsicht oder fehlende Hilfe durch Angehörige, Symptomatik verständlich erläutern und illustrieren, korrekte Ankreuzfelder (Sicherung der ärztlichen Behandlung), nicht Grundpflege oder hauswirtschaftliche Versorgung verordnen.
Da die Verordnungen nicht an ein Quartal gebunden sind, können sie ohne weiteres mitten im Quartal und ggf. für längere Zeiträume ausgestellt werden.
Bei Rückfragen der Kassen oder des MDK ist, als Basisinformation, die Beschreibung der Wohn- und Lebenssituation wichtig. Kurze, konkrete und nachvollziehbare Angaben sind abstrakten vorzuziehen. Umfangreiche Fragebögen sind überflüssig, telefonische Kontaktaufnahme zum MDK ist in problematischen Fällen hilfreicher.
Ärzte, die APK verordnen, müssen sich einen aktuellen Eindruck vom Patienten verschaffen, dazu gehört auch der regelmäßige Austausch mit den Pflegediensten. Verordnungen, die teilweise über Monate hinweg identische (auch fehlerhafte) Angaben enthalten, Jahre zurück liegende Arzt-Patienten-Kontakte lassen die Frage aufkommen, warum mehrere Jahre APK geleistet wird, ohne daß sich etwas ändert. Aus Frequenz und Variation der Verordnungen lassen sich Rückschlüsse auf die Kommunikation zwischen Arzt und Pflegedienst ziehen. Empfehlenswert sind regelmäßige, gemeinsame Fallbesprechungen.
Für die Verordnung von APK können Ärzte die Ziffer 27 EBM berechnen. Für die Beantwortung zusätzlicher Anfragen ist jeweils die Ziffer 77 berechnungsfähig. Zusätzlich können Besuchsziffern (25, 32), Fremdanamnese (19), Betreuungsleistungen (14, 15) berechnet werden, sofern die Leistungsbeschreibung erfüllt ist (Abrechnungshinweise nach Angaben der KV Nordrhein).
Von der Verbesserung und Vereinfachung der Kommunikation sind Zeit- und Kostenersparnis zu erwarten. Grundlage ist gegenseitiger Respekt: persönliche Anfeindungen oder Beleidigungen, von denen berichtet wurde, sind obsolet.