Die nachstehenden Stichworte sind zwei Broschüren des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe von August 2005 entnommen: „Behinderung und Ausweis“ (pdf, 17.1 M) und „Nachteilsausgleiche“ (pdf, 1 M). Die Broschüren bekommen Sie auch beim örtlichen Versorgungsamt. Die folgenden Angaben sind ohne Gewähr und ersetzen keine individuelle Beratung!
Behinderung
Menschen gelten als behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Normale Alterserscheinungen und vorübergehende Erkrankungen werden nicht als Behinderung anerkannt.
Die Feststellung einer Behinderung muss formlos beim örtlichen Versorgungsamt beantragt werden. Dabei kommt es auf die Auswirkung der Beeinträchtigungen an, die durch eine Gesundheitsstörung verursacht werden.
Auch der Arzt sollte in seiner Antwort an das Versorgungsamt nicht nur auf die Diagnose der Gesundheitsstörung eingehen, sondern die Auswirkungen beschreiben. Dummerweise zahlt ihm das Versorgungsamt gerade mal für die Mitteilung einer Diagnose…
Der Grad der Behinderung (GdB) wird nach Zehnergraden von 20 bis 100 festgestellt. Der Begriff „GdB“ bezieht sich auf die Auswirkung einer Behinderung in allen Lebensbereichen und nicht nur auf Einschränkungen im allgemeinen Erwerbsleben.
Die Angabe des GdB erfolgt nach den vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung 2008 neu herausgegebenen „Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz“ (AHP; pdf, 4.7 M). Also nicht ganz unvoreingenommen…
Wenn ein GdB von mindestens 50 festgestellt wurde, bekommt man einen Ausweis. Bei einem GdB von 30 oder 40 kann der Feststellungsbescheid auch dem Arbeitsamt vorgelegt werden, wenn eine Gleichstellung beantragt werden soll.
Zusätzliche Merkzeichen:
G: „Erheblich beeinträchtigt in der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr“ (gehbehindert)
Zum Beispiel auch bei Anfällen oder erheblichen Störungen der Orientierungsfähigkeit
aG: „Außergewöhnlich gehbehindert“
Wenn sich jemand dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb des Kraftfahrzeuges bewegen kann (Orientierungsstörungen allein reichen nicht aus).
B: „Auf ständige Begleitung bei Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln angewiesen“
Nur, wenn eine erhebliche oder außergewöhnliche Gehbehinderung festgestellt ist. Auch bei Orientierungsstörungen möglich.
RF: „Ständig gehindert, an öffentlichen Veranstaltungen jeder Art teilzunehmen“
Bei GdB von mindestens 80. Für geistig oder seelisch behinderte Menschen, bei denen befürchtet werden muss, dass sie beim Besuch öffentlicher Veranstaltungen durch motorische Unruhe, lautes Sprechen oder aggressives Verhalten stören.
H: „Hilflos“
Täglich und dauernd auf fremde Hilfe für häufig und regelmäßig wiederkehrende Verrichtungen zur Sicherung seiner persönlichen Existenz angewiesen. Dazu gehören auch geistige Anregung und Möglichkeiten zur Kommunikation. Bei Hirnschäden, Anfallsleiden, geistiger Behinderung und Psychosen, wenn diese Behinderung allein einen GdB von 100 bedingt.
Gleichstellung
Bei einem GdB von mindestens 30 kann der behinderte Mensch beim Arbeitsamt die Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen beantragen. Gleichgestellte haben alle Rechte wie schwerbehinderte Menschen. Ausgenommen sind der Zusatzurlaub und bestimmte Nachteilsausgleiche.
Einige Anhaltspunkte
Organisch-psychische Störungen (hirnorganische Allgemeinsymptome, Demenz und hirnorganische Persönlichkeitsveränderungen) 30-100
Autismus 50-100
Schizophrenie und affektive Störungen
Langdauernde floride Erkrankung 50 – 100
Schizophrener Residualzustand 10 – 100
Affektive Störungen 30 – 100
Neurosen, Persönlichkeitsstörungen, Folgen psychischer Traumen 0-100
Drogen-, Alkoholkrankheit, -abhängigkeit
nicht niedriger als 50
Nachteilsausgleich
Behinderte Menschen erhalten zum Ausgleich behinderungsbedingter Nachteile oder Mehraufwendungen eine Reihe von Rechten, Hilfen und Einsparungsmöglichkeiten (Nachteilsausgleiche).
Steuer
Behinderten, insbesondere schwerbehinderten Menschen, wird bei der Einkommen- und Lohnsteuer ein zusätzlicher Pauschbetrag wegen der Behinderung eingeräumt. Neben dem Pauschbetrag können noch außerordentliche Krankheitskosten steuerlich berücksichtigt werden (z.B. Kosten einer Operation oder einer Kur).
Haushaltshilfe
Ausgaben für eine Haushaltshilfe können bis zum Betrag von 924 Euro jährlich als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht werden, bei Heimunterbringung 624 bzw. 924 Euro.
KFZ und öffentliche Verkehrsmittel
Teilweise werden auch Kraftfahrzeugkosten erstattet, die KFZ-Steuer ermäßigt, Freifahrten gewährt (ggf. auch für Begleitpersonen), Transportkosten erstattet. Einige Automobilclubs gewähren Beitragsnachlässe, bei der KFZ-Versicherung sind Beitragsnachlässe möglich. Kosten für Eignungsgutachten bei Behörden (TÜV) können erlassen werden. Man kann einen Parkausweis beantragen.
Wohnen
In einigen Fällen kann Wohngeld oder eine Immobilienförderung beantragt werden. Ein Wohnberechtigungsschein für größere Wohnfläche ist möglich. Mit der Wohneigentumssicherungshilfe können z.B. Zwangsversteigerungen abgewendet werden. Das Kündigungsrecht des Vermieters kann eingeschränkt werden.
Die Befreiung von den Rundfunkgebühren ist möglich (z.B. für Heimbewohner, Sozialhilfeempfänger).
Auch bei Telefonanschlüssen der Telekom und bei Vodafone sind Ermäßigungen möglich.
Arbeit und Rente
Zur Sicherung des Arbeitsplatzes können Arbeitnehmer und Arbeitgeber finanziell unterstützt werden. Der Kündigungsschutz kann erweitert werden, es kann Zusatzurlaub gewährt werden. Behinderte Arbeitgeber können von der Umsatzsteuer befreit werden. Prüfungsbedingungen können angepasst werden. Es kann eine Befreiung von Mehrarbeit erreicht werden.
Der Rentenantritt ist in einigen Fällen mit 60 bzw. 63 möglich.
Änderungen zum 1.1.2008
Ab dem 1. Januar 2008 haben Menschen mit Behinderungen einen Rechtsanspruch auf das Persönliche Budget. Mit der neuen Leistungsform des Persönlichen Budgets können gleichberechtigte Teilhabe und Selbstbestimmung behinderter Menschen Realität werden. Das Persönliche Budget berechtigt Menschen mit Behinderungen, anstatt der üblichen Sachleistungen nun Geld oder Gutscheine zur Finanzierung der erforderlichen Hilfen zu beziehen und sich nach eigenen Vorstellungen das notwendige Leistungspaket zusammenzustellen. Bislang waren Persönliche Budgets noch Ermessensleistungen. Vom 1. Januar 2008 an besteht ein uneingeschränkter Rechtsanspruch darauf.