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Wahnsinnswoche 2017:17

In dieser Woche 131 Patientenkontakte und 17 Terminausfälle.


Die offene Sprechstunde ist montags und freitags von 10-11 Uhr. Wenn Sie schon um 9 Uhr kommen wollen, können Sie das gern machen. Ich kann Sie aber nur dann vorziehen, wenn ein Terminpatient vor 10 Uhr ausbleibt. Ansonsten bitte ich um Geduld bis zum Beginn der offenen Sprechstunde. Das Gleiche gilt, wenn Sie Ihren Termin autonom um einige Tage vorziehen.


Glaubt man einer industriefinanzierten Studie, kann man das durch den konsequenten Einsatz von eHealth-Lösungen im deutschen Gesundheitswesen realisierbare Effizienzpotential auf rund 39 Mrd. Euro beziffern. Ich vermute, dass die hier "neu quantifizierten Potentiale" eher der Gewinnmaximierung der beteiligten Unternehmen als der Verbesserung der Patientenversorgung dienen sollen, zumal im gleichen Atemzug "unabdingbare strategische Entscheidungen von Stakeholdern und der Politik" gefordert werden... So wirklich belegt ist die Zahl von 39 Milliarden in der Studie auch nicht.

Folgsam fordert Gesundheitsminister Gröhe als Schirmherr einer Industriemesse (sic!): "Wir brauchen mehr Tempo". Sorry, falscher Link: "Wir brauchen mehr Tempo bei der Digitalisierung". Er entspricht damit dem Wunsch der Bertelsmann-Stiftung, über den ich letzte Woche schon berichtet hatte und sieht es als Missbrauch von Patienten an, wenn die ihre eigene Patientenakte verwalten. Das wollen wir mal schön zentralisieren und möglichst noch eine Bundesagentur gründen - wo kämen wir denn da hin, wenn jeder seine eigenen Daten für sich behalten dürfte? Und die ärztliche Schweigepflicht entsorgen wir dann gleich mit. Uuuund - erledigt.

Übrigens, was das Effizienzpotenzial angeht: Im Vergleich zu heute wird künftig der dreifache Zeitaufwand benötigt, um die Versichertenkarten in den Praxen einzulesen, sie online zu prüfen und gegebenenfalls abzugleichen (aend 26.4.2017 - paywall).


Schon mal an die Umweltverschmutzung durch Homöopathie gedacht? Besorgen Sie sich schnell ein paar Magnete.


Sind Psychopharmaka schlimmer als die Krankheit selbst? (via)

Wahnsinnswoche 2017:16

In dieser Woche 107 Patientenkontakte und 8 Terminausfälle.


Und wieder eine Anfrage zur Berufsunfähigkeit bearbeitet. Ein berufsständisches Versorgungswerk will partout nicht anerkennen, dass eine schwere Depression in Verbindung mit diversen Komorbiditäten die Berufsausübung tatsächlich unmöglich macht. Wir sind jetzt beim zweiten Anlauf, diesmal mit ausführlicher Darstellung der Behinderung nach ICF. Ein Informationsdienstleister bescheinigt der Berufsunfähigkeitsversicherung übrigens Marktversagen.


Nein, ich werde Ihnen kein Cannabis verschreiben, auch wenn Sie sich davon Schmerzlinderung und Appetitsteigerung versprechen. Angesichts Ihrer floriden Psychose mit erheblichen Antriebs-, Affekt-, Denk- und Wahrnehmungsstörungen halte ich nämlich Cannabis mit seiner potenziell symptomverstärkenden Wirkung für absolut kontraindiziert.


Die Bertelsmann-Stiftung fordert (ganz uneigennützig) den digitalen Patienten. Die Geschichte der "Gesundheitskarte" lehrt allerdings, dass es sich wohl um ein Hype Driven Development handeln könnte... Kontext: [1] (pdf)


In gut vier Wochen werde ich Urlaub machen. Bis dahin sind leider schon alle festen Termine vergeben.

Wahnsinnswoche 2017:15

In dieser Woche 111 Patientenkontakte und 14 Terminausfälle.


Valbenazin (noch nicht verfügbar) zeigt experimentelle Erfolge bei der Behandlung der Spätdyskinesie.


Cannabis - Hinweise für Ärzte. Vielleicht doch besser LSD? (just kidding)


Das Mortalitätsrisiko für psychotisch Ersterkrankte zwischen 16 und 30 Jahren ist (in den USA) 24 Mal so hoch wie in der Vergleichsgruppe. Eine koordinierte Behandlung senkt das Risiko drastisch. Schizophren Erkrankte haben zudem ein höheres Risiko, an ernsten Infektionen zu erkranken.


Psychiatrische Erkrankungen erhöhen das Alzheimer-Risiko NICHT.


Mittagsschlaf macht glücklich.


Ängstlich? Deprimiert? Würzen Sie mit Safran!


Schöne Ostern!

Wahnsinnswoche 2017:14

In dieser Woche 122 Patientenkontakte und 9 Terminausfälle.


Mediziner erforschen an der Leipziger Uniklinik, wie Internet und Smartphones Depressiven helfen können.


Telematikinfrastruktur: nach den gesetzlichen Vorgaben sind die Krankenkassen verpflichtet, die Kosten für die Erstausstattung der Praxen und den laufenden Betrieb in voller Höhe zu übernehmen. Sie weigern sich aber, sodass (schon wieder) ein Schiedsverfahren eröffnet werden musste. Nach wie vor wird aber damit gedroht, Ärzten spätestens ab Mitte 2018 das Honorar zu kürzen, wenn sie telematisch-infrastrukturell nicht mitmachen.

Übrigens: Das Gesetz (pdf) schreibt den Beginn des sogenannten "Online Rollout" der Telematikinfrastruktur ab dem 1. Juli 2016 vor...


Da wir gerade beim Thema sind: Zwei Klagen gegen das eGK/TI-System zeigen Teilerfolge vor den Sozial- und Landessozialgerichten. Einem der Kläger wurden Ersatznachweise bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zugesprochen.


Kampagnen zur Entstigmatisierung sollten die Bevölkerung realistisch über das geringe Gefahrenpotenzial von Menschen mit psychischen Erkrankungen aufklären.


Zwangsbehandlungen sind immer eine erhebliche Belastung für Patienten, Ärzte und Pflegepersonal. Vorher sollen immer "zumutbare" Behandlungsangebote gemacht werden - es ist aber unklar, was zumutbar erscheint, und wie oft solche Angebote gemacht werden müssen.

Der Versuch, die Patienten zur Einnahme von Medikamente zu bewegen (Überzeugungsversuch), wird mit großem Abstand als wenig hilfreich erlebt. Auf der Negativskala folgen: Sedierung anbieten und Grenzen setzen. Als besonders hilfreich werden erlebt: Bewegungsmöglichkeiten anbieten, auf Erleben und Ängste eingehen, Bedürfnisse berücksichtigen.

In erster Linie sind strukturelle Umstände (unruhige Atmosphäre, mangelnde Zeit der Ärzte und Pflegekräfte) für das Scheitern milderer Maßnahmen verantwortlich (die am seltensten erfahrenen Maßnahmen waren: Zeit lassen, Gespräch mit Betroffenenfürsprecher und 1:1-Betreuung).

Interessanterweise schätzen die befragten Patienten den Einfluss ihres eigenen Verhaltens erst dann höher ein, wenn sie mehr mildere Maßnahmen erlebt hatten. Ansonsten fanden sie ihren eigenen Zustand weniger relevant, während Psychiater insbesondere aggressives, agitiertes und wahnhaft-paranoides Verhalten als Hauptursache für das Scheitern milderer Maßnahmen verantwortlich machen.

Heumann K et al: Bitte macht (irgend)was! Eine bundesweite Online-Befragung Psychiatrieerfahrener zum Einsatz milderer Maßnahmen zur Vermeidung von Zwangsmaßnahmen. Psychiat Prax 2017; 44(02): 85-92


Apropos Überzeugungsversuch: damit habe ich es natürlich auch in der Praxis täglich zu tun. Allerdings fast ausschließlich ohne Zwang. Mit gefühlt 99% der Leute, die hierher kommen, komme ich zu einer partizipativen Entscheidungsfindung (neudeutsch: Shared Decision (pdf)). Probleme gibt's immer wieder bei wahnhaftem Erleben, weil meine Behandlungsvorschläge in der Regel nicht mit dem Selbstverständnis der Betreffenden vereinbar sind. In manchen Fällen muss ich dann sehr direktiv werden, was gelegentlich auch zu Unterbringungen führen kann. Meistens lässt sich aber ein Kompromiss aushandeln. Wenn sich denn die Zeit dafür findet (dieses Strukturproblem habe ich in der Praxis nämlich auch).

Wahnsinnswoche 2017:13

In dieser Woche 169 Patientenkontakte und 12 Terminausfälle.


Montag: Das Quartalsbudget für Kassenpatienten war voll. Diese Woche habe ich also nur noch ehrenamtlich gearbeitet.


Fühlen Sie sich wertlos und deprimiert? Schauen Sie mal genauer hin...


Anlässlich des Gründungsdatums der Weltgesundheitsorganisation (WHO) im Jahr 1948 findet jährlich am 7. April der Weltgesundheitstag statt. Das Thema für 2017 lautet "Depression - Let’s talk". Kontext: [1]


Was für ein Jubel: Die Suche nach Psychotherapeuten wird jetzt viel schneller. Länger als vier Wochen soll kein Patient mehr auf den Termin bei einem Psychotherapeuten warten müssen. Details (pdf) der Strukturreform der ambulanten Psychotherapie.

Ist leider nur planwirtschaftliches Wunschdenken. Es wird nicht mehr Psychotherapeuten geben, und die Nachfrage übersteigt das Angebot jetzt schon um ein Vielfaches.

Dazu kommt noch der unglückliche Umstand, dass die neuen Leistungen schlechter bezahlt werden, als die genehmigungspflichtige Psychotherapie: 25 Minuten für nur 42,75 Euro statt 44,28 Euro. Falls jemand in ökonomischen Dimensionen denkt: das ist definitiv kein Anreiz, eine solche Sprechstunde anzubieten.

Entsprechend verstimmt sind die KBV ("Krankenkassen torpedieren neue Angebote – zum Nachteil der eigenen Versicherten"), die DGPT (pdf), und die BPtK ("Ein neuer Gipfel versorgungspolitischer Voreingenommenheit").

Der BKK Dachverband (hier: Franz Knieps) bezeichnet die Kritik dagegen als "Fake News einzelner Lobbygruppen": "Es stimmt nicht, dass die einzelne Leistung nunmehr schlechter bezahlt wird - pro Gesprächsminute mit dem Patienten werden die neuen Leistungen genauso gut vergütet wie bisherige Therapiesitzungen. Einziger Unterschied: Da der Therapeut den Patienten noch nicht kennt, benötigt er für diese Sprechstunde, anders als bei Stammpatienten, keine gesonderte Vorbereitungszeit." Man sieht, der Mann kennt sich aus mit der Versorgungsrealität Desinformation. (Der Knieps hat übrigens früher schon ziemliche Böcke geschossen und gezündelt und selbst als Lobbyist Fake News verbreitet...)


Übrigens: da ich eine psychiatrische und keine psychotherapeutische Praxis betreibe, wird sich an meinem Komfortangebot nichts ändern: Sie können im Notfall einfach weiter in die offene Sprechstunde kommen.


Sometime during the last quarter of 2016, the history of the world underwent a macroscopic quantum tunneling event, creating, according to the Many Worlds Interpretation, a new branch of the multiverse in which we are now trapped. The failure of much political polling is then understood by assuming that the particular branch we are on had very low amplitude in the quantum wave function of the multiverse. In this view, one must take a different attitude towards alternative facts than that proposed by the mainstream media.


Soulfood: One Shot - Ewaz vader.


Wahnsinn in den Medien: in dieser Woche 13x Sport, 7x Kunst, 3x Politik, 1x Straßenverkehr, 1x Aktien, 1x Abitur, 1x Helene Fischer, 1x Rihanna, 1x Handytarife. In der Stichprobe (N=30) diese Woche kein einziger Treffer im richtigen Kontext.