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Jährliche Krankheitskosten bipolarer Störungen

Bipolare (manisch depressive) Störungen haben im klinisch relevanten Spektrum eine Lebenszeitprävalenz von mindestens 5%. Die Querschnittsprävalenz in Deutschland wird mit 0,8% angegeben.

Verzögerte Diagnostik und damit verspätet einsetzende Phasenprophylaxe führen zu erhöhten Krankheitskosten:
in Deutschland waren es 2002 5,8 Mrd. €.
Auf die Krankenkassen entfielen dabei direkte Kosten (die durch die Behandlung bipolarer Störungen entstehen) von 138 Mio. €, davon 83 Mio. € (60%) durch stationäre Behandlung.

Mit knapp 5,7 Mrd. € sind die indirekten Krankheitskosten (die der Gesellschaft durch Arbeitsausfall, krankheitsbedingte Arbeitslosigkeit, Erwerbsunfähigkeit und suizidbedingte vorzeitige Todesfälle entstehen) enorm.

Die Studie greift auf auf die Statistiken des Statistischen Bundesamtes (StatBuA), der Gmünder Ersatzkasse (GEK), des Instituts für medizinische Statistik (IMS), des Vereins der Rentenversicherer Deutschlands (VDR) sowie auf Daten des ADT-Panels des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung zurück.

Nicht berücksichtigt wurden Kosten, die durch die Behandlung von Begleiterkrankungen - etwa durch die bei bipolaren Störungen gehäuft auftretende Alkoholabhängigkeit - entstehen.

Die Kosten für die ambulante Behandlung sind auf der Basis des ADT-Panels Nordrhein berechnet. Es handelt sich um eine Praxisstichprobe, die für das I.Quartal 2002 Abrechnungsdaten von ungefähr 600.000 Patienten mit etwa 2 Mio. Diagnosen aus 450 Praxen umfasst.

Die allgemeinen Kosten pro Arztbesuch betragen 22,78 € (24,0 Mrd. € GKV-Ausgaben für ärztliche Behandlung, 70,7 Mio. GKV-Versicherte, 14,9 Arztkontakte je Versichertem).

Im I. Quartal 2002 suchten insgesamt 238 bipolare Patienten der ADT-Stichprobe einen Nervenarzt (NA) auf, 65 einen Allgemeinmediziner, praktischen Arzt oder Internisten (API). Hochgerechnet auf die Gesamtzahl der Vertragsärzte entstanden bei durchschnittlich 2,4 (NA) bzw. 5,9 (API) Kontakten pro Quartal jährliche Kosten in Höhe von 29,3 Mio. € für die ärztliche Behandlung und diagnostische Tests.

Die Ausgaben für die medikamentöse Therapie werden aus unveröffentlichten Marktforschungsdaten des Instituts für medizinische Statistik ermittelt.

Die Kosten für Arzneimittel beliefen sich im Jahr 2002 nach Apothekenverkaufspreisen (AVP) auf insgesamt
12,8 Mio. €. In diesem Betrag ist der gesetzlich festgelegte Apothekenrabatt an die GKV bereits berücksichtigt. Der Wert pro Verordnung lag bei durchschnittlich 41,98 € (AVP), insgesamt wurden 305.000 Verordnungen eingelöst:
  • Lithium 51%
  • Antidepressiva 16%
  • Antiepileptika 14%
  • atypische Neuroleptika 8%
  • Neuroleptika 6%
  • Benzodiazepine 5%.
  • Der Ausgangspunkt für die Ermittlung der durch stationäre Aufenthalte bedingten Kosten sind Daten der GEK.

    Der Tagespflegesatz psychiatrischer Abteilungen beläuft sich auf 220,29 €. Hinzu kommt ein Finanzierungsanteil der öffentlichen Hand von 22,08 €/Tag.

    Im Jahr 2000 kam es in der Bundesrepublik zu insgesamt 343.500 Krankenhaustagen mit der Primärdiagnose bipolare Störungen (F31). Bei Tageskosten von durchschnittlich 242,37 € sind im stationären Sektor somit Kosten in Höhe von insgesamt 83,3 Mio. € entstanden.

    Bei einer durchschnittlichen Verweildauer von 41,4 Tagen zeigte sich, dass Patienten mit bipolaren Störungen eine um den Faktor 4 höhere Verweildauer als der Gesamtdurchschnitt aller Patienten (10,1 Tage) aufwiesen und gleichzeitig deutlich über der durchschnittlichen Verweildauer psychiatrischer Patienten (ICD9:290-316) lagen, die im Schnitt 26,9 Tage pro Fall stationär behandelt wurden.


    Die Ermittlung der Arbeitsunfähigkeitstage (AU-Tage) wegen bipolarer Störungen erfolgt mittels einer Hochrechnung aus GEK-Daten.

    Das tägliche Bruttoeinkommen aus unselbstständiger Arbeit beträgt 94,70 €. Das durchschnittliche Krankengeld pro Tag wird auf der Grundlage des Bruttoeinkommens aus unselbstständiger Arbeit berechnet und liegt bei 66,29 €/Tag. Durch die Krankenkassen sind für insgesamt 150.300 Tage Krankengeldzahlungen in Höhe von insgesamt 9,96 Mio. € geleistet worden.


    Daten des Vereins der Rentenversicherungsträger Deutschlands für das Berichtsjahr 2001 weisen die Dauer von stationären Leistungen zur medizinischen Rehabilitation bei psychosomatischen Erkrankungen sowie deren Anzahl nach Erstdiagnosen (ICD-10) aus.

    Laut VDR wurden im Jahr 2001 insgesamt 456 Leistungen zur stationären Rehabilitation und sonstige Leistungen erbracht. Bei einer durchschnittlichen Dauer von 37 Tagen und einem Tagespflegesatz von 137,66 € ergaben sich somit Kosten in Höhe von 2,3 Mio. €.


    Die indirekten Kosten ergeben sich aus den Kosten für Arbeits- und Erwerbsunfähigkeiten, Arbeitslosigkeit sowie den Kosten suizidbedingter Todesfälle. Sie werden nach dem Humankapitalansatz bewertet. Jährliche Produktivitätsausfälle werden gemäß den Empfehlungen des ?Hannoveraner Konsens" berechnet.

    Über 370.000 AU-Tage aufgrund bipolarer Störungen verursachten wegen des Produktivitätsausfalls Kosten in Höhe von 35,8 Mio. €. Je Fall blieben die Patienten durchschnittlich 45,3 (Männer) bzw. 38,9 (Frauen) Tage arbeitsunfähig.

    38% der bipolaren Patienten sind arbeitslos, von denen 64% dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stünden. Geht man davon aus, dass 0,8% der bundesdeutschen Bevölkerung bipolar erkrankt sind (Querschnittsprävalenz), so sind etwa 160.000 Patienten aufgrund ihrer Erkrankung arbeitslos. Bereinigt um die ?natürliche" Arbeitslosenquote von 9,4% (Stand Oktober 2002) entstanden dadurch indirekte Kosten wegen krankheitsbedingter Arbeitslosigkeit in Höhe von 5,0 Mrd. €.

    Zur Berechnung der Produktivitätsausfälle durch Erwerbsunfähigkeiten werden auf der Grundlage von VDR-Daten die entgangenen Erwerbsmonate ermittelt.

    Das durchschnittliche Alter der 656 Rentenzugänge wegen verminderter Erwerbsfähigkeit lag bei 46,4 Jahren. Daraus resultieren bei einem Verlust an 223 Erwerbsmonaten pro Patient Kosten von 415,7 Mio. €.

    Die ökonomische Bewertung der suizidbedingten Todesfälle leitet sich von einem etablierten Modell ab, das die durch vorzeitiges Ableben entgangenen Erwerbsjahre, die unter normalen Mortalitätsverhältnissen noch zu erwarten gewesen wären, ermittelt und monatär bewertet.

    Bei einem geschlechtsgewichteten Gegenwartswert des Lebensmarkteinkommens 50- bis 55-Jähriger von 129.500 € ergeben sich indirekte Kosten wegen Suizids in Höhe von 239 Mio. €.

    Quelle und Volltext:
    Jährliche Krankheitskosten bipolarer Störungen in Deutschland. Der Nervenarzt 2004: 75 (9): 896

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