Wie Ritalin & Co. im Gehirn und der hyperaktiven Gesellschaft wirken

Am Beispiel der medikamentösen Behandlung der Aufmerksamkeitsstörung ADHS zeigt sich, wie die Gesellschaft den frühen Umgang mit chemischen Substanzen diskutiert - Teil 3

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Während im ersten (Die Epidemie der Rastlosigkeit und die Karriere des Koks für Kinder) und zweiten Teil (Stefan und die Geschichte vom Ritalin) der Serie über ADHS das Ausmaß der Verschreibungspraxis von Methylphenidat, die Geschichte medikamentösen Behandlung von Aufmerksamkeitsstörungen und der Einzelfall des achtjährigen Hamburger Stefan dargelegt wurden, soll zum Abschluss das Wissen um die Ursachen der Krankheit beleuchtet werden.

Das Phänomen ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung) steht nicht isoliert da. Die in Kürze erscheinende repräsentative BELLA-Studie zur psychischen Gesundheit deutscher Kinder zeigt den Nachwuchs nicht gerade in Top-Form: 22% der Kinder zwischen 7-17 Jahren weisen psychische Auffälligkeiten auf, am häufigsten (10%) sind dabei Störungen des Sozialverhaltens.

Über die Ursachen von psychischen Störungen wie ADHS wird gestritten. Einige Forscher gehen soweit auszuschließen, dass ADHS mit den Begebenheiten der modernen Zivilisation zu tun hat. Dabei zeigen Beobachtungen, dass unter bestimmten Lebensbedingungen die Krankheit kaum zum Tragen kommt. Wer beispielsweise auf dem Land in einer sportlichen Familie aufwächst und den halben Tag zwischen Bolzplatz und Wald beschäftigt ist, der fällt nicht so schnell als hyperaktiv auf. Eine andere Frage ist, ob ADHS heute nur besser entdeckt wird und die Zahlen der an der Krankheit leidenden Kinder nur deshalb seit Jahren ansteigen.

Zwischen sozialer Zuschreibung, einzelnen Symptomen und tatsächlicher Krankheit herrscht ein schmaler Grad. Der Psychotherapeut und ADHS-Experte Manfred Döpfner:

Wenn wir in einer Stabhochspringerkultur lebten, gäbe es sicher viele Kinder mit einem Stabhochsprungdefizit, das entsprechend als Krankheit definiert und behandelt würde. Unsere Gesellschaft braucht aber nun einmal keine besonders bewegungshungrigen Menschen, sondern eher solche, die möglichst lange still sitzen und auf einen Computerbildschirm starren können.

"Ritalin", so der Name des von der Firma Novartis vertriebenen Methylphenidats, aber auch kleine Dosen von Amphetamin führen bei Kindern zu dem gleichen Ergebnis: Aufmerksamkeit. Aber warum? Stimulanzien, das steht noch heute in vielen Lehrbüchern, erhöhen den Dopaminspiegel im Gehirn. In einem Umkehrschluss wurde daher früh angenommen, dass ADHS-Kinder unter einer unzureichende Dopaminfreisetzung oder -herstellung leiden. Eine Behauptung, die bis heute nicht nachgewiesenen werden konnte. Und auch die vermutete Erhöhung des Dopaminspiegels durch Psycho-Stimulanzien muss revidiert werden.

Tierversuche zeigen bisher folgendes: In geringen Dosierungen werden die Substanzen langsam und in geringern Konzentration vom Hirn angenommen. Unter solchen Bedingungen bewirken sie lediglich eine Hemmung der Dopamin-Wiederaufnahme, daraus resultiert dann eine leichte Erhöhung des extrazellulären Dopaminspiegels. Diese ist im Vergleich zu der durch hohe Dosierungen ausgelösten, impulsunabhängigen Dopaminfreisetzung zwar moderat, aber ausreichend, um die Dopamin-Rezeptoren zu aktivieren und jede weitere Dopaminfreisetzung zu unterbinden.

Unterschiede in der Signalverarbeitung

Die neuen Erkenntnisse weisen also darauf hin, dass die Dopaminfreisetzung nach der oralen Einnahme von Amphetaminen und anderen Stimulanzen gehemmt wird. Das dopaminerge System von ADHS-Kindern wird demnach stillgelegt. Psychoaktive Substanzen wie Ritalin verhindern, so der heutige Stand, dass ein Dopamin-Schwall dem anderen folgt. Nicht nur hyperaktive, sondern auch „normale“ Kinder und Erwachsene können sich besser auf Aufgaben konzentrieren und sind weniger ablenkbar, nur fällt dies bei den ADHS-Patienten aufgrund der frappierenden Änderung gegenüber ihrem bisherigen Verhalten deutlicher auf.

Vergleicht man die Gehirne von ADHS-Kindern mit denen anderer mit Hilfe der funktionellen Magnetresonanztomographie fällt der Unterschied in der Signalverarbeitung im Gehirn auf. Bei rund der der Hälfte der ADHS-Betroffenen ist dies genetisch bedingt.

Der Göttinger Neurobiologe Gerald Hüther mischte sich 2002 in die Debatte um ADHS ein und wollte nachgewiesen haben, dass die Hyperaktivität nicht – wie lange angenommen – auf eine zu geringe, sondern auf zu hohe Dopaminausschüttung zurückzuführen sei. Seine These: Das Frontalhirn leidet unter den Dauerimpulsen, die das Mittelhirn mit seinen ständig erhöhten Dopaminausschüttungen sendet. Tatsächlich zeigt die Hirntomographie eine erhöhte Konzentration von Dopamin bei ADHS. Forschungen, wie beispielsweise von Klaus-Henning Krause und Stefan Dresel zur Neurobiologie der ADHS bestätigen die Vermutung Hüthers.

Schon vor dem Auftreten der Symptome wird das dopaminerge System im Gehirn immer wieder übermäßig aktiviert. Als mögliche Ursachen hierfür werden durchaus Reizüberflutung genannt. Fazit also: Treffen widrige Umständen auf ein genetisch präformiertes Kind, kommen also fehlende Ordnungsstrukturen, Überlastung der Eltern und unsichere familiäre Beziehungen dazu, steigen die Chancen auf ein hyperkinetisches und chronisch unaufmerksames Kind.

Das Fatale: ADHS-Kinder sind oft überdurchschnittlich intelligent, das macht die Unterscheidung zwischen einem kreativ-aufgeweckten Kind mit chaotischen Tendenzen und einem ADHS-Fall so schwierig. Diagnostische Feinarbeit, die Eltern, Kindern und vor allem Zeit beansprucht ist gefordert. Danach geht es in der Therapie darum den Kindern zu erklären, dass sie keine Monster sind, die nur unter Drogen zu ertragen sind, sondern das ihre „Krankheit“ nur ihre persönliche Art ist, Spannungen abzulassen. Später üben sie Innehalten und Selbstmanagement, lernen mit ihrer Impulsivität umzugehen, verlässliche Tagespläne gemeinsam mit anderen zu erstellen, die dann von allen Beteiligten konsequent durchgehalten werden.

Helfen kann vieles

Neben den herkömmlichen Therapien wird auf dem Markt auch eine Vielzahl alternativer Heilmethoden angeboten. Eine Zeit lang war die Beigabe von blaugrünen AFA-Algen en vogue, aber hier wie bei der Diskussion um eine phosphatarme Ernährung bleiben die Berichte anekdotisch, vor dem Instrumentarium wissenschaftlicher Studien konnten die Methoden nicht bestehen. Heute berichten Eltern in ADHS-Foren von Erfolgen mit konsequenter Ernährungsumstellung und Neuro-Feedback.

Fest steht: Schon eine psychotherapeutische Behandlung ohne Medikamente kann auf die neuronalen Verschaltungen im Hirn wirken, es kann zu synaptischen Umstrukturierungen bei Kindern und sogar auch bei Erwachsenen kommen. Umso besser wirkt eine Therapie dann, wenn das bisherige soziale Beziehungsgefüge überprüft wird, das das bisherige Denken, Fühlen und Handeln des Kindes bestimmt hat.

So schwer es für substanzkritische Eltern auch ist: Ritalin kann einem Kind helfen, wenn diese durch sein Verhalten in der Schule so auffällt, dass kein ansatzweise gepflegter sozialer Umgang mehr möglich ist. Das Verhalten lässt sich freilich weder durch Methylphenidat, Nahrungsumstellung noch Psychotherapie von einem auf den anderen Tag ändern. Es hilft nur eine intensive therapeutische Betreuung, um neue Verhaltensmuster zu erlernen, denn oft sind die Kinder mit ihrem Verhalten jahrelang durchgekommen. Sie haben es nie anders gelernt.

Konfrontiert man Eltern mit der Frage, ob sie ihren Kindern hier nicht einer „Droge“ aussetzen, reagieren diese naturgemäß entsetzt. Aber es führt keine Weg an der Einsicht vorbei: Ritalin ist eine nahe Verwandte von Amphetamin. Was in hoher Dosis Rausch erzeugt, vielleicht abhängig macht und in der Gesellschaft geächtet ist, kann niedrig dosiert die Tür in eine neue Richtung öffnen. Damit ist man gar nicht mehr so weit entfernt von der drogenpolitischen Diskussion um psychoaktiven Substanzen: Ein starker Kaffee kann Starthilfe sein, sich dauerhaft auf seine Wirkung zu verlassen birgt Risiken.

Das kann und will betroffene Eltern vielleicht erst einmal weniger interessieren. Sie sind heilfroh das Chaos in der Familie zum ersten Mal in den Griff zu kriegen. Liebe, Strenge, Verständnis, Wut: Nichts half – bis die Pille kam. Die Webseite gibt einige eindrucksvolle Berichte von Eltern wieder, die ADHS-Kindern erziehen. Oder wie die Mutter von Stefan ausTeil 2 sagte: „Man kann sich das gar nicht vorstellen, wenn man es nicht erlebt hat.“

Für Eltern ist es eine enorme Entlastung, wenn ihr Kind auf ADHS diagnostiziert wird. Nicht nur, weil seit den 70er Jahren das deutsche Individuum den Fehler zunächst bei sich selbst sucht. Endlich hat das Problem einen Namen und endlich ist nicht mehr nur das eigene Versagen der Grund für das Problem. Für Eltern schrammen daher Analysen zu „Suchtgefahr“ und Vorwürfe der „Ruhigstellung von Kindern“ an der Realität vorbei. Sie wissen zwar von dem Druck, dem Kinder ausgesetzt sind, sich frühzeitig an das kommende Arbeitsleben anzupassen. Gleichwohl sind sie entsetzt, wenn Sozialpädagogen wie Manfred Gerspach von der FH Darmstadt ihnen vorwerfen, ihren Nachwuchs „kritiklos den neuen Bedingungen des Arbeitsmarkts“ zu unterwerfen.

Auf der einen Seite sind Familien Teil einer Gesellschaft, die ihren Kindern immer mehr Freiheiten lassen, aber zugleich den Stellenwert von Kindern stets erhöht hat. Der Lebensweg des Nachwuchses ist Teil eines großen persönlichen Verwirklichungsplans, die Ansprüche an Tochter und Sohn sind hoch. In diesem Sinne werden die ADHS-Symptome von einigen Psychologen als eine Art Gegenwehr gegen die kontrollierende Übermacht der Eltern interpretiert. Aus Sicht der systemischen Therapie, und auch das wollen viele Eltern nicht hören, weist ein ADHS-Kind auf eine Schwäche in der Familienstruktur hin.

Die Normen der Aufmerksamkeitskultur

Wem das zu weit hergeholt ist, der muss doch zugeben, dass „Aufmerksamkeit“ gerade in der heutigen Gesellschaft Konzentration auf ruhiges Sitzen und unbewegtes Lesen bedeutet, später die Fokussierung auf den PC-Monitor. Ein Verhalten gilt immer dann als psychisch auffällig, wenn es nicht die Erwartungen der Umgebung erfüllt, in diesem Sinne ist ADHS eben parallel zur genetisch-hirnphysiologischen Ebene auch ein Produkt unserer Kultur.

Das bemerkenswerte an ADHS ist zum einen, dass trotz unsicherer Diagnosepraxis (zumindest in den USA) die Medikamentenvergabe auf immer jüngere Konsumentenkreise ausgedehnt wird. Das Ausufern der Verschreibungen alarmierte das staatliche "National Institute of Mental Health" (NIMH). Man finanzierte eine Studie an Kleinkindern im Alter zwischen drei und fünf Jahren, die Ergebnisse wurden jetzt im "Journal of the American Academy of Child & Adolescent Psychiatry" veröffentlicht. Nun rät man dazu, eine Ritalinvergabe nur dann zu erwägen, wenn die Krankheit „eindeutig diagnostiziert und tatsächlich schwerwiegend“ ist.

Die Studie lässt aber auch andere Interpretationen zu: Trotz Nebenwirkungen wie eines vergleichsweise geringen Gewichts äußert sich der Leiter der Kinderpsychiatrie der Johns Hopkins Universität in Baltimore "vorsichtig optimistisch", was die Vergabe von Ritalin an Kleinkinder angeht. Das Credo der Medien ist ebenfalls, dass Methylphenidat auch für Kleinkinder "sicher und effektiv" sei. Wie die ohnehin problematischen Diagnosekriterin für ADHS bei einem dreijährigen Kleinkind greifen sollen bleibt auch nach der NIMH-Studie unklar.

Vielleicht wird hier die Grenze zwischen biologischer und sozialer Deutung einer Krankheit neu verhandelt. Die Psychologengarde wehrt sich naturgemäß gegen die Eindampfung des Phänomens auf hirnorganische Störungen, die Neurobiologen halten gegen und weisen auf den veränderten Haushalt der Hirnchemie in ADHS-Kindern hin. Beide Gruppen sind in Denkmustern gefangen. Alles deutet darauf hin, dass jedwede psychische Aktivität ihr neuronales Korrelat hat. Es gibt kein Denken ohne synaptische Aktivität. Aber: Die Reduzierung des menschlichen Denkens auf eben diese Aktivität läuft ebenso in die Irre, denn sie sagt weder alles über die subjektive, innere Empfindung des Menschen aus, noch gibt sie ethische Maßstäbe vor, wie mit dem Phänomen umgegangen werden soll.

Drogen können helfen

An dieser Stelle zeigt sich die Ironie des Stimulanzien-Phänomens, denn die Wahrheit ist: Drogen können helfen. Nur ist es bisher der unheiligen Allianz aus Wissenschaftlern und Pharma-Lobbyisten gelungen darüber zu bestimmen, welche Substanz als gutes Medikament und welche als schädliche Droge zu gelten hat. Der Mensch ist aus deren Sicht ohnehin nur eine Maschine, die auf Pilleneinwurf mit dem immergleichen Verhalten zu reagieren hat. Die Folgen zeigen sich einer potentiell überdosierten Gesellschaft, die alle Jahre auf neue Medikamente eingestellt wird, um weiter glücklich und gesund leben zu können.

An der erhitzten Diskussion um Medikamentenvergabe an Kinder und ADHS bei Erwachsenen, die auch im Telepolis-Forum zu dieser Artikelserie entbrannt ist, zeigt sich die Sensibilität gegenüber einem Thema, das in Zukunft an Relevanz eher gewinnen wird. Der Einsatz von chemisch Substanzen in geringer Dosis hält bei ADHS nicht an: Das synthetisch hergestellte Desmopressin beispielsweise ist dem körpereigenen Hormon Vasopressin nachempfunden und wird bei Kindern eingesetzt, die im Schlaf die Blase entleeren, also unter Ein- bzw. Bettnässen (med.: Enuresis) leiden. Auf Dauer trockengelegt werden Kinder durch Desmopressin nicht, der Effekt ist temporär. Aber im Rahmen einer Gesamttherapie hilft das Medikament kurzzeitig weiter.

Auch in diesem Bereich treffen die Eltern, Ärzte und Pharma-Interessen aufeinander, die Aufklärungsindustrie läuft auf Hochtouren. Unter www.initiative-trockene-nacht.de/ wird über Therapiemöglichkeiten des Bettnässen aufgeklärt, die Webseite gibt sich neutral, schon im Impressum steht allerdings die Medical Consulting Group (MCG) als Ansprechpartner, eine bekannte Düsseldorfer Marketingagentur für Medizinprodukte. Forscht man bei der Denic nach, so ist der Domaininhaber aber nicht die MCG, sondern die Ferring Arzneimittel GmbH, ein Hersteller von desmopressinhaltigen Medikamenten (z.B. Minirin).

Hier liegt, neben der hirnphysiologischen und kulturellen Ebene, die dritte Wahrheit: (Kinder-) Medikamente sind ein wirtschaftliches Gut und gehorchen daher auch des Gesetzen des Marktes. Und dieser Markt will sich ausweiten. Im US-Fernsehen läuft seit Jahren Werbung für Medikamente gegen "Adult-ADHD"; es geht um die Sensibilisierung für, andere würden sagen "Etablierung" der Krankheit in der Welt der Erwachsenen. Unter Psychcentral wird ein Online-Test angeboten, der zeigen soll, ob man unter Adult-ADHD leidet.

Der Versuch eines Fazits

Noch ist unklar, warum genau die Verschreibungen für Methylphenidat in den USA und Europa so sehr zugenommen haben. So wie es aussieht, treffen ein schwammiges Diagnosebild und schlecht geschulte Ärzte auf der einen sowie ein vermehrtes Auftreten von ADHS, sozialer Druck und eine Sensibilisierung für psychologische Probleme auf der anderen Seite zusammen. Dazu kommt, dass Methylphenidat als relativ sicher selbst bei Kindern gilt, die Schwelle zur Verschreibung also niedrig liegt.

Das kann für Verwirrung sorgen. So stellte im Jahr 2000 eine Studie an 4.500 Kindern fest, dass die Behandlung von ADHS in einer Gemeinde im US-Bundesstaat North Carolina völlig aus dem Ruder gelaufen war: Zum einen bekamen ein Viertel von eindeutig auf ADHS diagnostizierten Kinder keine Stimulanzien. Auf der anderen Seite waren über die Hälfte der Kinder, die Stimulanzien erhielten, überhaupt keine ADHS-Kandidaten.1

Es ist viel über ADHS und dessen medikamentösen Behandlung veröffentlicht worden. Es ist ein weiteres Zeichen einer am Defizit orientierten Medizin, die erst einspringt, wenn es schon zu spät ist, dass dagegen nur wenig über die präventiven Möglichkeiten gesprochen wird. Die Annahme, dass ADHS nur genetisch erklärbar sein könne und zu einem Teil eben auch ist, hat viel zu diesem Missstand beigetragen. Die meisten der therapeutischen und Forschungsbemühungen richten sich noch immer am „kranken Subjekt“ aus und vernachlässigen die Erarbeitung von Erziehungsmodellen, die vorsorgend wirken.

Ein weiterer Schritt wäre sicher die Freilegung der positiven Potenziale, die in diesem Syndrom steckt. Zum einen für das Kind selbst, zum anderen für das Selbstverständnis einer Gesellschaft, die in ihrer getriebenen Rastlosigkeit und ständigen optischen und akustischen Überreizung aktuell noch den schicken „Puls der Zeit“ sieht, sich aber in Zukunft vermehrt in mentalen Ruhephasen (de-) konzentrieren muss, sei es, um schöpferische Kraft zu fassen, sei es, um Gegengewichte gegen die medialen Überflutungen zu schaffen.

Um etwas albern zu schließen: Vielleicht sind wir alle irgendwann so dankbar wie die Familie Simpson in der Folge „Brother's Little Helper“, in der Bart Simpson nach einer Psycho-Tortour durch die Einnahme einer neu entwickelten Aufmerksamkeitsdroge mit Namen „Focusyn“ am Ende wieder zum bewährten Ritalin zurückkehrt.