Die Gesundheitsdaten der 73 Millionen gesetzlich Krankenversicherten in Deutschland sollen künftig ohne ihr Einverständnis für die Forschung verwendet werden können. Das sieht der Entwurf zum Digitale-Versorgungs-Gesetz von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) vor. Er soll am Donnerstag im Bundestag verabschiedet werden.

Die gesetzlichen Kassen müssen demnach die persönlichen Daten sowie sämtliche Behandlungsdaten aller Versicherten an den Spitzenverband der Kassen weiterleiten, der sie dann pseudonymisiert der Forschung zur Verfügung stellt. Verwaltet werden sollen die Daten von einem erweiterten Forschungsdatenzentrum, das beim Bundesgesundheitsministerium angesiedelt wird.

Damit entstünde eine der umfangreichsten Datensammlungen in der Bundesrepublik, berichtete das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RDN). Eine Möglichkeit für die Versicherten, der Weitergabe der Daten zu widersprechen, sieht der bereits im Internet veröffentlichte Entwurf nicht vor.

Die Patientendaten sollen laut dem Gesetzentwurf für "Forschung, insbesondere für Längsschnittanalysen über längere Zeiträume, Analysen von Behandlungsabläufen oder Analysen des Versorgungsgeschehens" genutzt werden. Nutznießer sind dabei laut der Vorlage die Behörden, Forschungseinrichtungen oder Universitätskliniken, nicht aber die Industrie.

Kritik von Grünen und Patientenschützern

Grünen-Politiker und Patientenschützer kritisierten den Entwurf. Sie fordern einen strengeren Datenschutz und eine Widerspruchsmöglichkeit für Patientinnen und Patienten. "Es ist hoch bedenklich, dass Spahn im Schweinsgalopp, praktisch ohne gesellschaftliche Diskussion, die kompletten Gesundheitsdaten der gesetzlich Versicherten für die Forschung zugänglich machen möchte", sagte die Grünen-Gesundheitsexpertin Maria Klein-Schmeink dem RND. An keiner Stelle sei intensiver diskutiert worden, ob Datenschutz und Datensicherheit hinreichend gewährleistet seien.

Der Vorstand der Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, kritisierte, der Datenschutz für Patienten spiele in Spahns Entwurf "eher eine untergeordnete Rolle". Sollte der Gesundheitsminister sein Modell durchsetzen wollen, brauche es das Einverständnis der Betroffenen. Brysch schlug vor, die Daten vom Statistischen Bundesamt erheben zu lassen, sodass "höchste Datenschutzstandards eingehalten" würden.

Das Gesundheitsministerium wies die Kritik zurück und sicherte einen restriktiven Umgang mit den Daten zu. "Gesundheitsdaten sind die sensibelsten Daten, die es gibt", sagte ein Sprecher. Der Datenschutz genieße "wie bisher höchste Priorität". Das geplante neue Verfahren solle sicherstellen, "dass Daten vor allem schneller und von besserer Qualität – und nicht wie derzeit um Jahre zeitverzögert – für die Versorgungsforschung zugänglich werden". Dies komme den Patienten zugute. Die Kritik der Grünen bezeichnete der Ministeriumssprecher als "Unterstellung".

Allerdings hatte auch der Bundesrat bereits eine kritische Stellungnahme zu Spahns Gesetzentwurf abgegeben und eine Überprüfung in Hinblick auf den Datenschutz gefordert. "Es fehlt an einer klaren Regelung zur Abwägung des angestrebten Nutzens mit dem Re-Identifikationsrisiko und dem Persönlichkeitsrecht der Betroffenen", heißt es in einer Stellungnahme der Länderkammer.