Kann die Simulationstheorie zur Apokalypse führen?

Bild: geralt/pixabay.com

Ein junger Philosoph warnt davor, Beweise dafür finden zu wollen, dass wir in einer Simulation leben. Das könnten die Erschaffer der Simulation nicht gut finden und den Stecker ziehen

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Elon Musk spielt mit dem Gedanken, dass wir in einer Simulation leben. Das findet der Tesla-Auto- und SpaceX-Raketenbauer irgendwie attraktiv und faszinierend, ähnlich wie die Vorstellung, über Neuroimplantate die Menschen direkt mit Künstlicher Intelligenz zu verschmelzen. Gleichzeitig äußerte er Angst vor einer zu starken KI. Kürzlich antwortete er in einem Interview auf die Frage, welche Frage er einem ersten allgemeinen KI-System stellen würde: "Was gibt es außerhalb der Simulation?" Die Wahrscheinlichkeit, nicht in einer Simulation zu leben, sei 1 zu einer Milliarde.

Die Frage liegt auf der Hand. Wenn die Welt oder das Universum mit den Menschen sich in einer Simulation befindet, dann muss es hochkomplexe technische Systeme geben, die diese Simulation generieren und abspielen lassen. Und es könnte jemanden geben, der diese Simulation erfunden hat, fragt sich halt dann nur, zu welchem Zweck. Dass die Welt eine Simulation ist, versteckt sich schon in der christlichen Weltanschauung, für die sich das wirkliche Leben im Paradies (oder in der Hölle) abspielt. Das verkörperte Leben ist nur Durchgangs- und Prüfungsstadium - individuell und auch menschheitsgeschichtlich, denn am Ende steht die Apokalypse.

Laufen wir auch auf eine simulierte Apokalypse oder eine Apokalypse der Simulation zu? Aber was interessiert uns denn letztlich, ob wir in einer perfekten Simulation, einer großen Blase, leben oder in einer Wirklichkeit, die wir uns auch als eine sich selbst nach dem Urknall aufblähende Blase vorstellen sollen? Die Fragen, was vor dem Urknall war und was außerhalb der Simulation ist, ähneln sich jedenfalls und könnten auch in die christliche Tabufrage münden, wer Gott geschaffen hat. Vielleicht interessiert Musk auch nur, ab wann Menschen, denen ein Neuralink-Neurotransplantat eingepflanzt wurde, nicht mehr merken, wenn sie in einer simulierten Welt leben, die ihnen eingespielt wird.

Spekulieren mit dem Weltuntergang

Jetzt durfte der junge Philosoph Preston Greene von der NTU Singapore einen Meinungsbeitrag in der New York Times veröffentlichen, in dem er dazu rät, lieber nicht herausfinden zu wollen, ob wir in einer Simulation leben. Das Ergebnis sei entweder langweilig oder "extrem riskant". Länger ausgeführt hat er seine Überlegungen in einem Paper, das letztes Jahr bislang eher unbeobachtet in der Zeitschrift Erkenntnis veröffentlicht wurde.

Greene greift Überlegungen des Philosophen Nick Bostrom auf, der ausgeführt hat, warum es gut möglich sei, dass wir in einer Computersimulation einer höher entwickelten Zivilisation leben. Ein Argument besteht in dem Gedankenexperiment nach Greene, dass dann, wenn man glaubt, dass die menschliche Zivilisation einmal komplexe Simulationen über ihre Vorfahren generiert, man auch der Überzeugung sein sollte, in solch einer Simulation zu leben.

Wenn es also solche Techniken zur Simulation von Vorfahren gibt (um zu verstehen, wie wir uns evolutionär/geschichtlich entwickelt haben), dann würden simulierte Menschen wie wir die Zahl von nicht simulierten Menschen weit übertreffen. Die Wahrscheinlichkeit, in einer Simulation zu leben, wäre mithin quantitativ weit höher. Muss einen das überzeugen? Bostrom selbst kam zum Schluss, dass es eigentlich keinen wirklichen Unterschied macht, ob wir in einer Simulation leben oder nicht. Letztlich würden wir als simulierte Lebewesen "sterben", wenn sich das Gefängnis öffnet oder die Simulation endet.

Greene verweist weiter auf Physiker der University of Washington unter der Leitung von Martin Savage, die in dem Artikel Constraints on the Universe as a Numerical Simulation davon ausgehen, dass unser Universum eine frühe Simulation in einem Raum-Zeit-Gitter sein könnte und Anomalien haben könnte, die beweisen könnten, dass wir in einer Simulation leben. Andere wie der Physik-Nobelpreisträger George Smoot behaupten, dass wir in einer Simulation leben und dass die Physik dies beweisen könne.

Hat sie aber bislang nicht. Und soll sie auch nicht, wenn es denn möglich wäre, warnt Greene. Solche Experimente zu machen, "könnte eine katastrophal schlechte Idee sein". Um das interessanter zu machen, soll dabei gleich die Auslöschung des Universums auf dem Spiel stehen, nicht nur die der Erde oder nur der Menschheit.

Greene zieht eine Parallele mit der Pharmaforschung, bei der es wichtig sei, dass die Patienten nicht wissen, ob sie ein (vielleicht) wirksames Medikament oder ein Placebo erhalten. Ähnlich sei dies für das Leben in einer Simulation. Es sei anzunehmen, dass die Wissenschaftler, die die Simulation generiert haben, nicht wollen, dass wir herausfinden, dass wir in einer Simulation leben. Wenn wir das beweisen könnten, könnten unsere Erschaffer die Simulation beenden und die Welt zerstören.

Die Argumentation hat einige Haken. Die Erschaffer würde das letztlich nur stören, wenn es um eine historische Simulation der Entwicklung von ihnen selbst ginge, bei der die Erkenntnis, in einer Simulation zu leben, falsche Ergebnis liefert und eine Abweichung der Entwicklung einleiten würde. Es könnte aber sein, dass die Erschaffer selbst zur Kenntnis gekommen sind, dass sie in einer Simulation leben. Wenn sie nur die Entwicklung von virtuellen Lebewesen, egal ob simulierten Ameisen oder Menschen, studieren wollen, könnte es eben zu der Erkenntnis kommen. Überdies könnten die Beweise nicht triftig sein und nur in der Simulationswelt Gültigkeit haben.

Den Erschaffern könnte es auch einfach egal sein, ob wir einen Beweis finden, in einer Simulation zu leben, da dies nichts ändern würde, solange wir nicht aus der Simulation aussteigen und gegen die Götter rebellieren könnten. Vielleicht wollen sie ja auch herausfinden, ob wir simulierten Lebewesen jemals und dann wie darauf kommen, dass wir nur in einer Simulation leben. Fraglich wäre dabei natürlich auch, was es hieße, in einer Wirklichkeit zu leben.

Greenes Perspektive ist schlicht biblisch

Was passiert, wenn Adam und Eva das Verbotene tun und zur Erkenntnis kommen? Sie werden aus dem unschuldigen, fröhlichen und ewigen Leben im Paradies, aus einer Wirklichkeit, auf die Erde, einer anderen, nur mühe- und leidvollen Wirklichkeit, vom ob der aufständischen Menschen verärgerten Gott geworfen, der aber Möglichkeiten schafft, wie brave und unterwürfige Menschen wieder ins Paradies aufgenommen werden können.

Wie verzwickt die Erzeuger der Simulation wären, in der wir leben sollen, ist pure Ansichtssache. Aber Greene spielt die vielen möglichen Szenarien nicht durch, sondern argumentiert letztlich, dass wir es uns in der unbeantworteten Frage gemütlich machen sollen, ob wir in einer Simulation leben. Wenn bei Experimenten kein Beweis herauskäme, dass wir in einer Simulation leben, wäre dies langweilig. Interessant wären sie nur, wenn sie gefährlich werden (was auch schon verquer ist, schließlich ist Wissenschaft nicht nur interessant, wenn ihr Ergebnisse gefährlich sind).

Greene sagt, es könne zwar einen Wert haben zu wissen, in einer Simulation zu leben, aber "die entstehenden Kosten mit dem Risiko der Auslöschung unserer Welt würden sehr viel größer sein". Und weil die Experimente aus eher exotischen Gründen zur Apokalypse führen könnten, sei deren Durchführung "natürlich" nicht gerechtfertigt:

Ziehen Sie den folgenden hypothetischen Vorschlag für ein Experiment des Large Hadron Collider, dem weltgrößten Teilchenbeschleuniger, in Erwägung: "Bei diesem Experiment ist es unwahrscheinlich, dass es ein interessantes Ergebnis produziert, aber wenn es dies macht, kann es die Auslöschung unseres Universums verursachen." Würde die Durchführung dieses Experiments gerechtfertigt sein. Natürlich nicht.

Preston Greene

Es wurde tatsächlich von Apokalyptikern vor Experimenten am Large Hadron Collider gewarnt, dass sie den Untergang der Welt nach sich ziehen könnten. Wenn hier durch den Aufeinanderprall von Protonen ein Schwarzes Mini-Loch entstehen und sich ausbreiten könnte, bestünde die Gefahr des Weltuntergangs. Die Wissenschaftler ließen sich allerdings von den Experimenten nicht abhalten, die Welt gibt es noch immer, simuliert oder real.

Der Erkenntnisgewinn von Greenes Warnung vor einem möglichen Weltuntergang, wenn wir in einer Simulation leben und die Erschaffer den Stecker ziehen, ist bescheiden. Symptomatisch könnte der Ansatz sein, auf ein sehr hypothetisches, zum Weltuntergang aufgeblähtes Risiko hinzuweisen, um den Erkenntnisdrang abzuwürgen und die Schotten dicht zu machen. Die Devise scheint ja zu lauten, lass uns weitermachen wie bisher, grundsätzliche Fragen zu stellen, ist riskant.

Interessanter wäre ja auch darüber spekulieren, welche Konsequenzen wir daraus ziehen würden, wenn wir wissen, dass wir nur simuliert sind, als zu überlegen, was die "Götter" machen könnten. Wir müssten dabei allerdings aus der Simulation herausschauen können, nicht nur Anomalien entdecken, die vielleicht nur mit unserem Wissensstand zu tun haben. Könnten wir herausschauen, wären wir nicht mehr in der Simulation gefangen. Ein klassisches Paradoxon wie das, wenn ein Kreter sagt: "Alle Kreter sind Lügner."

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