Fragestellung: Reduziert der partielle Dopaminantagonist Aripiprazol die antipsychotikainduzierte Hyperprolaktämie?

Hintergrund: Risperidon und weitere potente Dopaminantagonisten induzieren in höheren Dosen eine starke Hyperprolaktämie, die zu einer Galaktorrhoe, Amenorrhoe, sexuellen Dysfunktion und längerfristig wahrscheinlich zu einer Osteoporose führt. Aufgrund seines nur partiellen Antagonismus erniedrigt Aripiprazol in Monotherapie Prolaktin eher, als dass es zu den häufigen Anstiegen kommt, die besonders unter den hydrophilen hochpotenten Dopaminantagonisten Risperidon oder Paliperidon beobachtet werden.

Patienten und Methodik: Premenopausale Frauen, die wegen einer schizophrenen, schizoaffektiven oder bipolaren Erkrankung zumeist unter einer Behandlung mit Risperidon oder Paliperidon eine Hyperprolaktinämie und damit verbundene Nebenwirkungen (Galaktorrhoe, Amenorrhoe, Oligomenorrhoe oder sexuelle Dysfunktionen) litten, wurden in die randomisierte Studie aufgenommen. Verblindet erhielten die Studienteilnehmerinnen 5 mg bis 15 mg Aripiprazol in Ergänzung zu der fortgeführten antipsychotischen Medikation. Wirkungen und Nebenwirkungen wurden im weiteren Verlauf über 16 Wochen erfasst.

Ergebnisse: Unter Aripriprazol kam es zu einer Reduktion der Prolaktinspiegel (▶Abb. 1). Von den 37 teilnehmenden Frauen am Studienende normalisierten sich bei 9 von 20 Teilnehmerinnen in der Aripiprazolgruppe die Prolaktinwerte, in der Placebogruppe bei 2 von 17 Teilnehmerinnen. Eine bei Studienbeginn bestehende Galaktorrhoe sistierte bei 10 von 12 Frauen in der Aripiprazolgruppe, aber nur bei 4 von 12 betroffenen Frauen in der Placebogruppe. Auch sexuelle Dysfunktionen nahmen in der Aripiprazolguppe stärker ab.

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Reduktion der Prolaktinspiegel unter Aripiprazol im Vergleich zu Placebo

mod. n. Kelly DL et al. J Clin Psychopharmacol 2018; 38: 317–26

Schlussfolgerungen: Die Autoren sehen in der Addition von Aripiprazol eine Möglichkeit, im Sinne eines individualisierten Nebenwirkungsmanagements die Galaktorrhoe unter der Therapie mit Risperidon oder Paliperidon zu behandeln. Auch die Reduktion einer sexuellen Dysfunktion wird als Vorteil gewertet. Die Vermeidung einer Osteoporose unter dieser Kombination könnte nach Urteil der Autoren ein weiterer möglicher Vorteil bei langfristiger Therapie sein. Dies könne die Studie aufgrund ihrer Dauer aber nicht zeigen.

Kommentar von Michael Hüll, Emmendingen

Individualisiertes Nebenwirkungsmanagement auf dem Vormarsch

Diese randomisierte, verblindete Studie hat zwar nur eine geringe Teilnehmerzahl, wurde aber mit einer hohen Studienqualität durchgeführt (Jadad-Score 4). Als größte und längste Studie zu dem Thema Prolaktin und Aripiprazol konnte sie Vorbefunde bestätigen, dass unter Aripiprazol eine Prolaktinsenkung eintritt und die sehr belastende Galaktorrhoe bei den allermeisten Frauen mit einer Latenz von einigen Wochen aufhört. Somit stellt die Zugabe von Aripiprazol bei Patientinnen mit Galaktorrhoe unter Risperidon oder ähnlich hochpotenten Antipsychotika, bei der die Behandlungerfahrung gezeigt hat, dass eine Dosisreduktion oder ein Wechsel zu einem anderen Antipsychotikum nicht möglich ist, eine plausible, individuell zu entscheidende Option da.

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Prof. Dr. med. Michael Hüll, Emmendingen