Ausgebrannt? Depressiv? Frustriert? Der Burnout-Report zeigt auf: So überlastet und krank fühlen sich Deutschlands Ärzte

Claudia Gottschling

Interessenkonflikte

12. März 2019

Macht der Arztberuf krank? Wie sehr Mediziner in Deutschland gestresst und überfordert sind, zeigt der neue Report „Burnout und Depressionen bei Ärzten in Deutschland“. Fast jeder 2. Arzt, der an der Online-Umfrage von Medscape teilgenommen hat, berichtet von Gefühlen körperlicher, emotionaler und mentaler Erschöpfung.

Der Report zeigt auch auf, wo sich Ärzte Hilfe holen und was sie selbst unternehmen, um einen gesunden Ausgleich zum Stress im Job zu schaffen. So ist – nach den früheren Medscape-Reports zum Einkommen, zur Berufsethik und zur Job-Zufriedenheit – ein differenziertes Bild über die Ursachen und unterschiedlichen Formen der Überlastung entstanden.

Psychische Probleme wie Burnout oder Depressionen sind unter deutschen Ärzten weit verbreitet: 24% der Ärzte geben in der Umfrage an, dass sie unter Depressionen und depressiven Verstimmungen leiden. 9% bezeichnen ihre Symptome als eine Kombination aus Burnout und Depression. 12% sprechen nur von Burnout. Nur 56% sagen, dass sie keine dieser Erkrankungen haben oder deren Symptome an sich wahrnehmen.

Auch für Fachleute sind die beiden Krankheitsbilder nicht immer eindeutig zu trennen. Auf die Frage, ob ein Burnout zur Depression geführt hat, antworten 74% der Ärzte mit „Ja“.

Medscape fragte seine registrierten Ärzte, wer Symptome eines Burnouts oder einer Depression hat. Dazu zählen zum Beispiel auch Frustration und Zynismus im Job, sowie Zweifel an der eigenen Kompetenz und Qualität der Arbeit. 615 Leser haben an der Online-Umfrage (nicht repräsentativ) teilgenommen und den ausführlichen Fragebogen beantwortet.

Die Anspruchshaltung der Patienteneltern frustriert und ich habe Angst vor Behandlungsfehlern. Niedergelassener Pädiater mit Depressionen
 

Die Ursachen von Burnout und Depressionen sehen die Ärzte vor allem in ihrem Job. Jeder 2. mit iner Depression gibt an, dass sein Berufsalltag zu seinen Symptomen beiträgt. Wer im Krankenhaus arbeitet, nennt diesen Grund etwas häufiger als niedergelassene Ärzte. Ein Pädiater in einer Praxis gibt zu Protokoll: „Die Anspruchshaltung der Patienteneltern frustriert und ich habe Angst vor Behandlungsfehlern.“

Schwierigkeiten im privaten Umfeld, etwa in der Familie oder in Liebesbeziehungen, spielen jeweils für jeden 6. Arzt eine Rolle für seine Depression. Ähnlich relevant sind finanzielle und gesundheitliche Probleme.

Aber wie schlecht fühlen sich die Ärzte?

Auch wenn die Ärzte sich nicht scheuen, sich als depressiv zu bezeichnen – so stufen sie ihr Leiden als nicht so dramatisch ein: 3 Viertel der Befragten, die angeben, dass sie unter einer Depression leiden, bezeichnen die Symptome eher als leicht. Sie fühlen sich traurig oder "down", was als depressive Verstimmung definiert wird. In den Kommentaren äußern die Teilnehmer häufiger, dass sie „gereizt sind, schlecht schlafen, sich erschöpft fühlen und zurückziehen. Freunde und Familie werden vernachlässigt.“

Bei einigen geht die Belastung jedoch soweit, dass sie sogar überlegen, ihren Beruf an den Nagel zu hängen. Ein Gynäkologe um die 50 sagt zum Beispiel: „Ich habe kaum noch Freizeit, komme nur noch zum Schlafen nach Hause und im Urlaub bin ich immer krank, kann mich also auch nicht erholen.“ Die gute Nachricht: Nur 6 von 100 würden von ihren psychischen Problemen als klinisch manifeste Depression sprechen.

Diese Faktoren triggern den Burnout

Ärzte, die unter einem Burnout leiden, empfinden vor allem die Verwaltungsaufgaben (52%) als große Belastung. Zu viele Arbeitsstunden (50%), mangelnde Anerkennung im sozialen Umfeld (36%), die zu starke Gewinnorientierung (32%), die unzureichende Vergütung (26%), staatliche Regulierungen (18%) oder die zunehmende Computerisierung (18%) sind weitere wichtige Faktoren. Die Symptome eines Burnouts dauern bei 60% der Betroffenen seit mehr als einem Jahr an. Die Mehrheit beschreibt sie als „mittlere Intensität“.

Interessante Unterschiede finden sich zwischen Krankenhausärzten und Niedergelassenen: In der Praxis hadern viele mit den Regularien der Gesetzgeber – im Gegensatz zu ihren Kollegen in der Klinik. Diese sehen sich dagegen viermal so häufig unter dem Druck, Gewinne auf Kosten des Patientenwohls erwirtschaften zu müssen.

 
Ich habe kaum noch Freizeit, komme nur noch zum Schlafen nach Hause und im Urlaub bin ich immer krank, kann mich also auch nicht erholen. Gynäkologe, Mitte 50
 

Im internationalen Vergleich: weniger Burnout, aber mehr Depressionen

Dass die Probleme über die Grenzen hinweg gravierend sind und Mediziner auch in anderen Ländern an ihre Belastungsgrenzen stoßen, dokumentiert der internationale Burnout-Report „Global Physicians' Burnout and Lifestyle Comparisons“ von Medscape. Außer in Deutschland wurde die gleiche Umfrage auch in fünf weiteren Ländern – Frankreich, Portugal, Spanien, USA und Großbritannien – durchgeführt. Insgesamt haben 20.000 Ärzte daran teilgenommen. Demnach fühlt sich im internationalen Durchschnitt mehr als jeder dritte Arzt (37%) ausgebrannt oder leidet unter beidem: Burnout und Depression (1).

Im Ländervergleich schneidet Deutschland bei Burnout (12%) oder Burnout plus Depressionen (21%) also noch vergleichsweise gut ab. Ärzte aus Portugal und Spanien melden dagegen deutlich höhere Burnout-Raten als ihre Kollegen in anderen Ländern (47% beziehungsweise 43%). In Großbritannien liegt die Rate bei 32%, in den USA bei 40% und in Frankreich bei 42%.

Dafür liegen die Deutschen im Ländervergleich bei Depressionen mit Abstand an der Spitze. Fast jeder 4. deutsche Arzt (24%) gibt an, depressiv zu sein. Im Vergleich zu den Kollegen aus Frankreich (6%), Vereinigtes Königreich und USA (4%), Portugal (3%) und Spanien (1%) liegen die Deutschen Mediziner hier weit vorne.

Hilfe? Nein, danke!

Obwohl Ärzte eigentlich über die Therapie-Möglichkeiten bei Burnout und Depressionen Bescheid wissen sollten, wenden Sie ihre Fachkompetenz nicht an, wenn es um ihre eigenen Probleme geht. Nur jeder 5. Arzt hatte sich bisher professionelle Hilfe gesucht. Stattdessen versuchen Mediziner sich selbst zu helfen: Die Jüngeren wechseln den Job, andere verändern den Workflow oder – arbeiten weniger.

Was kann langfristig am besten gegen Burnout helfen? Eine bessere Bezahlung, sagen 38% der Kollegen in dieser Umfrage. In einem gewissen Widerspruch dazu steht die Forderung, die am zweithäufigsten genannt wird: Ein Drittel wünschen sich, dass sie wieder mehr auf das Wohl der Patienten achten können als auf die Maximierung der Gewinne.

Und wie sehr leiden die Patienten unter überlasteten Ärzten?

41% der Ärzte mit einer Depression gehen selbst davon aus, dass sich ihre persönlichen Probleme nicht auf das Verhältnis zu ihren Patienten auswirken. Aber gleichzeitig sagen 37%, dass sie genervt sind, 25% bezeichnen sich als manchmal unfreundlich. Die Umfrage macht auch deutlich: Am häufigsten lassen Ärzte Ihre Unzufriedenheit an ihren Mitarbeitern aus.

 

Kommentar

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