Risikostrukturausgleich (RSA)

Krankenkassen haben eine ungleiche Versichertenstruktur: Einige haben überdurchschnittlich viele gut verdienende und gesunde Versicherte, andere versichern überdurchschnittlich viele kranke Menschen und Beitragszahler mit niedrigem Einkommen. Seit 1994 gibt es einen Ausgleich dieser Risikounterschiede zwischen den Krankenkassen, den sogenannten Risikostrukturausgleich in der gesetzlichen Krankenversicherung (RSA).

Vor dem Hintergrund von freiem Kassenwahlrecht für die Versicherten und der gleichzeitigen Verpflichtung der Krankenkassen, niemanden abzulehnen, der sich in der gesetzlichen Krankenversicherung versichern darf (Kontrahierungszwang), ist der RSA in einem wettbewerblich organisierten System zwingend erforderlich, um faire Wettbewerbsbedingungen für die Krankenkassen zu gewährleisten. Bis 2008 wurde im RSA die Morbidität der Versicherten jedoch nur indirekt erfasst, und zwar über die Merkmale Alter, Geschlecht und Bezug einer Rente wegen Erwerbsminderung. Für die Jahre 2002 bis 2008 wurden ergänzend auch chronisch Kranke gesondert berücksichtigt, wenn sie in einem zugelassenen, strukturierten Behandlungsprogramm (Disease Management-Programm, DMP) eingeschrieben waren.

Einführung des morbiditätsorientierten RSA

Mit dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) wurde das Verfahren des RSA ab dem 1. Januar 2009 neu ausgestaltet und darüber hinaus durch die gleichzeitige Einführung des Gesundheitsfonds vereinfacht:

Im morbiditätsorientierten RSA wurde seitdem neben den Merkmalen Alter, Geschlecht, Bezug einer Erwerbsminderungsrente und Anspruch auf Krankengeld auch der unterschiedlich hohe Versorgungsbedarf von Versicherten mit einer kostenintensiven chronischen oder schwerwiegenden Krankheit berücksichtigt. Für Versicherte, die eine von 80 ausgewählten Krankheiten hatten, erhielten die Krankenkassen mehr Zuweisungen als für Versicherte, bei denen eine solche kostenintensive oder schwerwiegende Krankheit nicht vorliegt. Den Krankenkassen sollen so gezielt die Mittel zugewiesen werden, die sie benötigen, um die unterschiedlich hohen Leistungsausgaben ihrer Versicherten zu decken.

Zudem werden seitdem über das Zuweisungssystem des Gesundheitsfonds die Unterschiede in den beitragspflichtigen Einnahmen zwischen den Mitgliedern der Krankenkassen ausgeglichen. Seit dem 1. Januar 2015 gibt es darüber hinaus einen zusätzlichen Einkommensausgleich, der die Erhebung der einkommensbezogenen, kassenindividuellen Zusatzbeiträge flankiert.

Weiterentwicklung des RSA

Im Jahr 2010 ist der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesamt für Soziale Sicherung beauftragt worden, die Wirkungen des RSA zu prüfen. Er ist in seinem Bericht zu dem Ergebnis gekommen, dass dieser zielgenauer als der bis 2008 geltende Alt-RSA wirkt und die Berücksichtigung der Morbidität der Versicherten zu einer deutlichen Verbesserung bei der Deckung der durchschnittlichen Leistungsausgaben der Krankenkassen geführt hat.

Handlungsbedarf zur Weiterentwicklung des RSA hat der Wissenschaftliche Beirat in drei Bereichen gesehen: Bei den Zuweisungen für Krankengeld, den Zuweisungen für Auslandsversicherte und bei der Berücksichtigung der Ausgaben für Versicherte, die im Ausgleichsjahr verstorben sind.

Diesem Handlungsbedarf hat der Gesetzgeber Rechnung getragen: Mit dem GKV-Finanzstruktur- und Qualitätsweiterentwicklungsgesetz (GKV-FQWG) vom 21. Juli 2014 wurden bei der Berechnung der Zuweisungen für Krankengeld und Auslandsversicherte Ist-Kosten-Elemente als Übergangslösung eingeführt, um die Zielgenauigkeit dieser Zuweisungen zu erhöhen. Als Teil eines mehrstufigen Forschungs- und Analyseprozesses wurden darüber hinaus durch das Bundesamt für Soziale Sicherung Erstgutachten zur Weiterentwicklung der Zuweisungssystematik in beiden Bereichen in Auftrag gegeben.

Zugleich hat das Bundesamt für Soziale Sicherung die Berechnung der Ausgaben für Verstorbene entsprechend der Empfehlungen des Wissenschaftlichen Beirats angepasst.

Mit dem Gesetz zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung (HHVG) vom 4. April 2017 erhielt das Bundesamt für Soziale Sicherung die Aufgabe, Folgegutachten zur Weiterentwicklung der Zuweisungssystematik für die Bereiche Krankengeld und Auslandsversicherte in Auftrag zu geben. Die in den Erstgutachten skizzierten Modelle sollen detaillierter herausgearbeitet, bewertet und für eine mögliche gesetzliche Umsetzung ausgestaltet werden. Die Gutachten liegen seit Januar 2020 vor.

Mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (GVWG) vom 11. Juli 2021 wurden die Zuweisungsverfahren beim Kinderkrankengeld und bei den Auslandsversicherten entsprechend der Empfehlungen der Folgegutachten angepasst, um Wettbewerbsverzerrungen im RSA zu beseitigen. So erfolgt beim Kinderkrankengeld ab dem Jahr 2021 ein vollständiger Ausgleich der tatsächlichen Leistungsausgaben der Krankenkassen, während bei den Auslandsversicherten ab dem Jahr 2023 eine Differenzierung der Zuweisungen nach dem jeweiligen Wohnstaat erfolgt. Aufgrund von weiterem Forschungsbedarf im Bereich des regulären Krankengeldes wurde der Wissenschaftliche Beirat beauftragt, Modelle zur Ermittlung der Zuweisungen in diesem Bereich zu überprüfen und zur Umsetzungsreife zu entwickeln.

Zudem wurde der Wissenschaftliche Beirat in den Jahren 2016 und 2017 mit einer weiteren Evaluation der Wirkungen des RSA sowie einem Gutachten zu seiner regionalen Verteilungswirkung beauftragt. Die Gutachten liegen seit November 2017 beziehungsweise Juni 2018 vor.

Grundlegende Reform durch das GKV-FKG

Am 1. April 2020 ist das Gesetz für einen fairen Kassenwettbewerb in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-FKG) in Kraft getreten.

Mit dem Gesetz wurde der RSA mit dem Ziel gleicher Wettbewerbsbedingungen und der Stärkung der Manipulationsresistenz sowie der Präventionsorientierung weiterentwickelt. Zur systematischen Fortentwicklung des RSA und zur Reduzierung von strukturellen Fehldeckungen auf der Ebene von Versichertengruppen sind folgende Anpassungen erfolgt: 

  • Einführung einer Regionalkomponente,
  • Berücksichtigung aller Krankheiten im RSA (Vollmodell),
  • Einführung eines Risikopools,
  • Versichertenindividuelle Berücksichtigung von Abschlägen und Rabatten für Arzneimittel im RSA,
  • Streichung des Kriteriums der Erwerbsminderung als gesondertes Risikomerkmal. 

Die Manipulationsresistenz des RSA wurde über eine Reihe von Maßnahmen gestärkt. Innerhalb des RSA ist beispielsweise eine Manipulationsbremse eingeführt worden, über die hierarchisierte Morbiditätsgruppen von den Zuweisungen im RSA-Jahresausgleich ausgeschlossen werden, wenn ihre Steigerungsraten statistisch auffällig sind. Zudem wurde die Prüfung zur Sicherung der RSA-Datengrundlagen verschärft.

Über eine Vorsorge-Pauschale im RSA wird dessen Präventionsorientierung gestärkt. Es wird der Anreiz für die Krankenkassen gestärkt, die Inanspruchnahme von Vorsorge- und Früherkennungsmaßnahmen ihrer Versicherten zu fördern.

Die Wirkungen des Risikostrukturausgleichs werden zukünftig alle vier Jahre durch den Wissenschaftlichen Beirat beim Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) begutachtet. Hierbei sind auch seine Wirkungen auf den Wettbewerb der Krankenkassen und seine Manipulationsresistenz zu untersuchen. Im Jahr 2023 wird eine gesonderte Evaluierung der Wirkungen der Regionalkomponente und der Manipulationsbremse durch den Wissenschaftlichen Beirat stattfinden.

Das BAS hat die im GKV-FKG enthaltenen Reformmaßnahmen im Versichertenklassifikationsmodell für das Ausgleichsjahr 2021 fristgerecht umgesetzt, so dass sie ab dem 1. Januar 2021 im RSA berücksichtigt werden.

Stand: 28. Februar 2024
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