Wartezeit bei Ärzten ein "Wahnsinn"

Mehr als 20 Prozent der Hausärzte auf Urlaub / Patientenanwalt kritisiert derzeitige Regelung.

Die Türe zur Ordination öffnet sich minütlich. Patienten stecken ihre Köpfe hinein, seufzen, schließen die Tür wieder. Von außen. Die Schlange reicht bis auf den Gang hinaus. Im Wartezimmer sitzen Grippekranke neben Skifahrern, die auf eine Nachbehandlung ihrer Verletzung warten. Dazwischen tuscheln einige Wartende über die Dame, die schon seit 30 Minuten beim Empfang steht. "A Wahnsinn, pffff!" Anrufer, die nach einem Termin fragen, werden vertröstet: "Bei uns ist heute sehr viel los. Wenn es nicht dringend ist..." Von fünf Kassen-Hausärzten in der Bezirkshauptstadt Hollabrunn, NÖ, haben in den Semesterferien zwei geöffnet.

Alleine in Wien wurden in der vergangenen Woche rund 13.700 Grippe-Neuerkrankungen registriert. Und das in den Semesterferien, wo viele der Hausärzte selbst auf Urlaub sind. Geregelt ist, dass mindestens 50 Prozent der Mediziner im Dienst sein müssen. Obwohl die Norm erfüllt wird, wird ein Besuch bei einem Hausarzt derzeit zum Geduldsspiel. Patientenanwalt Gerald Bachinger kritisiert die gesetzliche Norm: "Die Abstimmungen bei Urlaubs- und Ordinationszeiten im niedergelassenen Bereich funktionieren nicht so, wie sie sollten. Generell gibt es eine mangelhafte Abdeckung durch Kassenärzte." Die Politik sei gefordert. "Die Regelung mit den 50 Prozent sollte überdacht werden, weil diese schon sehr niedrig angesetzt ist."

In Niederösterreich gibt es 783 niedergelassene Kassenärzte für Allgemeinmedizin. 180 davon sind laut Ärztekammer NÖ derzeit im Urlaub, sieben auf Fortbildungen und zwei selbst im Krankenstand. Es sind auch hier mindestens 24 Prozent, die nicht für ihre Patienten verfügbar sind.

In Wien sieht man kein anderes Bild. Derzeit haben 23 Prozent der Allgemeinmediziner wegen Urlaubs ihre Ordination geschlossen. 169 der 734 Hausärzte haben somit frei.

In Niederösterreich müssen Urlaubsmeldungen vier Wochen im Vorhinein bei der Ärztekammer bekannt gegeben werden. Es gibt für jeden Sprengel einen festgelegten Schlüssel: Bei drei Ärzten muss ein Mediziner geöffnet haben, bei fünf Ärzten zwei. Fällt hier noch einer unvorhergesehen aus, kommt es zu Engpässen.

Keine Einzelfälle

"Ich habe dasselbe erlebt", erklärt ein Wiener. Weil dessen Hausärztin derzeit im Urlaub ist, musste er zu ihrer Vertretung. "Dort tummelten sich im Wartezimmer rund 25 Menschen. Nur sechs Patienten konnten aber Platz nehmen, weil es nicht mehr Sessel gab. Die Wartezeit betrug bis zu drei Stunden und das mit meinem Fieber", erzählt der Betroffene. Der dritte Hausarzt, den der Patient aufsuchen wollte, war ebenfalls auf Urlaub. Ein weiterer Mediziner war selbst erkrankt. Erst beim fünften Anlauf kam es zur Behandlung.Bei zwei zufällig ausgesuchten Ordinationen in Wien wird man ebenfalls auf eine "längere Wartezeit" vertröstet.

"Zwei bis drei Stunden", ist bei einem Hausarzt in der Josefstadt zu hören. Bei einem Allgemeinmediziner in Floridsdorf wird man konkreter: "Drei andere Ärzte sind derzeit auf Urlaub. Jetzt kommen alle zu uns."

Aktuell sind noch keine Patientenbeschwerden bei der Patientenanwaltschaft eingegangen, auch bei den Gebietskrankenkassen Wien und Niederösterreich hat sich noch niemand gemeldet. "Das ist nicht verwunderlich, die Beschwerden kommen meistens erst zeitverzögert", sagt Bachinger.

Während in Ostösterreich derzeit vor allem die Grippewelle die Geduld der wartenden Patienten in den Arztpraxen auf die Probe stellt, sorgen in den Wintersportregionen im Westen auch Skiunfälle für längere Wartezeiten."Sie werden in den Fremdenverkehrsorten derzeit kaum eine Praxis finden, die geschlossen hat", sagt Walter Arnberger von der Ärztekammer Salzburg. Derzeit sei eben wie auf den Skipisten auch in den Praxen "Hochsaison". Die Allgemeinmediziner hätten sich aber darauf vorbereitet und vielerorts bereits im Herbst personelle Verstärkung für die Ferienzeit organisiert, sagt Arnberger. Der Betrieb laufe daher in geregelten Bahnen.

Auch Artur Wechselberger, Präsident der Ärztekammer Tirol spricht von einer "alljährlichen Stoßzeit". Die Situation sei derzeit "schon angespannt", sagt er unter Verweis auf die eigene Praxis.

Zwei Stunden warten

Am vergangenen Montag hätten Patienten in seiner Ordination in Innsbruck bis zu zwei Stunden auf ihre Untersuchung warten müssen. "Ich hoffe doch, dass wir jetzt den Zenit überschritten haben", sagt Wechselberger. Für die Wintersportregionen in Tirol gelte dasselbe wie in Salzburg: Dort hätten sich viele Allgemeinmediziner personell verstärkt.

In Kärnten seien die Wartezeiten in den Hausarzt-Praxen derzeit "nicht exorbitant", versichert Standesvertreterin Maria Korak-Leiter. "Bei uns hält es sich in Grenzen. Es sind noch nicht so viele Grippefälle gemeldet worden", meint die Allgemeinmedizinerin, die in Maria Rain (Bezirk Klagenfurt-Land) ordiniert. Und dennoch: "Wenn an einem Vormittag starker Ansturm herrscht, kann es schon sein, dass die Patienten eineinhalb Stunden warten müssen", gibt Korak-Leiter zu.

Probleme bereiteten zuletzt aber nicht die vielen Patienten, sondern die Ärzte selbst – weil für erkrankte Mediziner an den Wochenenden keine Vertretungen gefunden worden seien.

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