Audi S6, BMW M550i, Lexus GS F, Porsche Panamera 4S im Test
Business-Sportwagen mit über 440 PS

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Sie halten sich für intelligent, symbolisieren Status und bedürfen eines Informatikstudiums, um sie in allen Facetten zu verstehen. Insgeheim jedoch wollen sie alle nur das eine ...

spa 10/2017 Vergleichstest Audi S6, BMW M550i, Lexus GS F, Porsche Panamera 4S
Foto: Hans-Dieter Seufert

Wissen Sie was? Ich beneide meine Kollegen von früher um ihre gute alte Zeit. Um dieses Damals, als der Dieselmotor noch nicht skandalös war, sondern einfach nur oll; als man mit Testwagen auf Anschlag quer über Feldwege semmelte, sogar Bilder abdruckte davon, ohne dass sich hernach der Verband der südbadischen Staubmilbe schriftlich über die Verletzung der Privatsphäre seines Wappentiers beschwerte. Und vor allem beneide ich sie um die Autos aus der Zeit. Nicht weil sie besser gewesen wären, diese Mär entsteht nur aus Verklärung. Sondern weil sie so fuhren, wie sie waren und nicht wie ihre Nachkommen von heute, die versuchen, multiple Persönlichkeiten in sich zu vereinen.

spa 10/2017 Vergleichstest Audi S6, BMW M550i, Lexus GS F, Porsche Panamera 4S
Hans-Dieter Seufert
Moderne Sport-Business-Limousinen versuchen multiple Persönlichkeiten in sich zu vereinen.

Unsere vier Testkandidaten sind so etwas wie die Paradebeispiele dieser automobilen Schizophrenie. Jeder von ihnen unterscheidet mindestens drei Fahrprogramme, jeder hackt sich über Steuergeräte in die Maschine-Mensch-Beziehung, und jeder geht mit hoch dosierten Dynamiksteroiden gegen die Begleiterscheinungen des Limousinen-Daseins vor – nur um gleichzeitig alles daranzusetzen, die bestmögliche Limousine zu sein. Eigentlich absurd.

Den Gipfel der Hochtechnologie hat BMW mit dem neuen 5er erreicht – oder überschritten, je nachdem. Allein über seine Assistenzsysteme ließen sich locker-flockig Seiten füllen. Da würde es dann um teilautonomes Fahren gehen, über das vollautomatisierte Parken, das es einem erlaubt, den 5er per Smartkey fernzusteuern, über die Vorfahrtsstraßenwarnung, den Concierge-Service, dies, das, jenes. Und dann wären wir aber noch nicht einmal gefahren, schon gar nicht zügig, was er ja beherrschen sollte, jetzt, da sie ihn hochoffiziell zum M-Performance-Modell auserkoren haben.

Feierabend für die Assistenten

Ich schlage daher Folgendes vor: Lassen Sie uns einfach so tun, als ob früher wäre. Nicht weil wir dringlich über Schotterwege raspeln wollten (wobei ...), sondern einfach um aus dem Wust an Funktionen jene freizulegen, um die es eigentlich geht. Sprich: Wir schicken die Assistenten in den Feierabend und brezeln einfach drauflos. Eigenhändig. Und damit sich die imaginäre Reise in die analogen Tage auch authentisch anfühlt, beginnen wir das Ganze mit einer Partie Autoquartett. Erinnern Sie sich? Damals, als sich unter der Schulbank Hubräume duellierten und man sich Löcher in den Bauch freute, wenn man der Mistratte von Banknachbar mit dem Scorpio-Verbrauch den Testarossa rausgezogen hat. Herrlich.

Der Spitzentrumpf unserer Truppe ist der Lexus: höchste Leistung, größter Hubraum, höchste Drehzahl und mit acht Zylindern genauso viele wie Audi und BMW. Die beiden Bayern liegen mit 462 und 450 PS auf Platz zwei und drei, gefolgt vom 440 PS starken Panamera 4S, der mit seinem Sechszylinder nominell etwas ins Hintertreffen gerät und nur mit der Vmax stechen kann. Sein doppelt aufgeladener 2,9-Liter wirkt etwas zugeschnürt, schnalzt dank der spitzenmäßigen Launch Control rabiat vom Fleck, zehrt danach aber nur noch von seinem Startvorteil.

Nur Porsche mit Sportwagenfeeling

Dennoch gibt es keinen Zweiten hier, der den Sportwagen so gefühlsecht ins Großformat transformiert. Die Ergonomie, das Rundinstrumentarium mit dem Drehzahlmesser als Sonne des Systems und nicht zuletzt dieses Handling. Der Panamera schmilzt in den Händen auf die Hälfte seiner Größe, liegt seelenruhig, keilt bei Bedarf aber derart ins Eck, dass man aufpassen muss, nicht innenseitig durchs Bankett zu pflügen.

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Hans-Dieter Seufert
Trotz seiner Größe schafft es der Panamera wie ein Sportwagen zu wirken.

Wie er das anstellt? Mit aktiven Stabis, die sich elektromotorisch gegeneinander verdrehen und die Nachgiebigkeit so buchstäblich aus dem Fahrwerk wringen. Und: mit der neuen Hinterachslenkung. Sie ist ein weiterer Ansporn für das Einlenkverhalten ebenso wie ein Beruhigungsmittel im Kurvenverlauf. Allerdings gelangt durch ihr Mittun auch ein zusätzlicher Einflussfaktor in ein Fahrverhalten, das bereits von unzähligen Faktoren beeinflusst wird: Allradantrieb, Torque Vectoring, PCM, dem Wankausgleich und besagter Hinterachslenkung – all diese Dinge sind dem Fahrer nach- beziehungsweise der Straße vorgeschaltet und verarbeiten Kommandos hinsichtlich einer möglichst optimalen Durchführung. Und auch wenn sie das brillant hinkriegen, verwackelt einem dadurch gelegentlich das Gefühl. Mal biegt der Porsche schärfer ein, als man es vorhatte, mal drängelt er übers Heck, obwohl man ihn artig an der Linie führt, mal liegt er stoisch, auch wenn man ihn triezt – so als führte er ein Eigenleben irgendwo zwischen Aktion und Reaktion.

Audi S6 lebt vor allem vom Motor

Selbst der S6, der als Audi von Haus aus sicher nicht zu den Naturburschen zählt, wirkt geradliniger, echter – wenn auch längst nicht so direkt. Die Lenkung übersetzt sich zwar kaum minder spitz, die zugehörigen Bewegungen laufen dann aber doch gemächlicher ab. Mehr Neigung in der Karosserie bedeutet am Ende weniger Drive in der Querdynamik.

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Hans-Dieter Seufert
Der S6 von Audi gibt den Alltagssportler, lebt aber vor allem vom Motor.

Doch auch hier hat man sich etwas einfallen lassen, etwas, das die fahrphysikalische Logik ins Gegenteil zu drehen vermag. Sie wissen, was jetzt kommt: genau, die Kamelle vom Sportdifferenzial, das loszog, um die vier Ringe aus der Tyrannei des Untersteuerns zu befreien. Wie, wo, warum, haben wir zigfach erklärt. Daher nur so viel: Auch dem S6 tut die hinteraxiale Drehmomentverschiebung gut. Auf der Strecke überschreitet man zwar irgendwann die Grenze ihrer Einflusssphäre, oder besser den Bereich, in dem man die Eindrehimpulse explizit im Hintern spürt. Für den Alltagssport jedoch sind sie ein schöner Kick. Ansonsten entertaint vor allem der Motor. Vier Liter, gute Reaktionen, wohliger Klang, flockiges Hochdrehen, ein Doppelkuppler als Adjutant und vor allem viel mehr Schmalz als der dünnflüssige Panamera-V6.

Zwei Welten im Lexus GS

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Hans-Dieter Seufert
Der Lexus GS F motorisiert herzergreifend, klingt brutal, bewegt seine sperrige Statur extrem agil, vergisst dabei aber nicht, dass er im Hauptamt Limousine ist.

Und doch gibt es einen hier, der mehr berührt. Mag sein, dass das Styling des Lexus irritiert, mag sein, dass einen die mausartige Steuerung des Infotainments in den Wahnsinn treibt und dass der Wohnraum nicht ganz so sexy eingerichtet ist wie bei den Deutschen. Aber seien Sie versichert: Dieser Fünfliter-Sauger da vorn macht alles wett. Unten gibt er den Teddybären, brummelt verschmust und tapst gemächlich voran, doch dann drehst du über dreifünf und er fletscht die Zähne. Der Trott wird zum Trommelwirbel, der Vortrieb intensiv, die Klangkulisse zu dumpfem Brüllen hochstilisiert – künstlich zwar, aber zu gut, um sich daran aufzuhängen. Und das Beste: Das ganze Auto ist genau so, genauso zweigeteilt.

Fährt man ihn sachte, bleibt er ganz Limousine, ruht in sich, federt weich, dämpft gesittet. Sobald man ihn jedoch aktiv rausholt aus seiner Komfortzone, wird klar, dass sich hinter der leicht schummerigen Lenkung mächtig Muskelsubstanz verbirgt. Das dreistufige Torque-Vectoring-Diff stichelt aus der Rückhand mit, ein Piepton erteilt den Hochschaltbefehl, und dank des Hinterradantriebs braucht es für Quertrieb keinerlei Mechanismen, sondern nur die richtige Hand-Fuß-Koordination. Famos!

BMW ist schnell, aber schwerfällig

Anders der BMW: Nach dem fahraktiven GS F wirkt er wie ein Kopfsprung in einen Berg aus Sofakissen. Von der Außenwelt dringen nur Bruchstücke in den Innenraum, die Rückmeldung ist von Diskretion geprägt, das Fahrgefühl von der Üppigkeit seiner Karosse. Erst der evolutionierte 4,4-Liter-Doppelturbo vermag die Pomade rauszuwaschen – dafür aber ansatzlos und nachhaltig. Passend zum Drumherum bleibt der V8 zwar eher flauschig in seiner Außenwirkung, faucht sachte, dreht weich, infiltriert den 550i dabei aber mit ungeheurem Schub.

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Hans-Dieter Seufert
Nach klassischen Limousinen-Maßstäben gibt es keinen Besseren als den neuen BMW 5er. Mit der Sportlichkeit jedoch ist es so weit nicht her.

Lange Rede, kurzer Sinn: Nach klassischen Limousinen-Maßstäben gibt es keinen Besseren. Keiner wirkt so lässig, keiner entspannt so restlos. Mit der Sportlichkeit jedoch ist es so weit nicht her, wobei man ganz klar zwischen tatsächlicher Dynamik und Handling unterscheiden muss. Denn: Schnell ist der M550i, praktisch genauso schnell wie Lexus oder Audi und sogar eine Sekunde schneller als sein indirekter, 54 Kilo schwererer Vorgänger, der 550i. Allerdings tut er sich unheimlich schwer,diesen Fakt ans Fahrgefühl zu übermitteln. Trotz hoch variablen Allrads, Wanktilgungssystems, Hinterachslenkung und der spürbaren M-Note im Fahrwerk hängt er hauptsächlich am Grip der Michelins, schleppt sich ums Eck und untersteuert garstig, sobald man ihn auch nur mit dem Gas anhaucht. Das Problem, oder besser sein einziges Problem: Er kriegt den Hintern nicht hoch. Ihm fehlt dieses Spiel im Heck, diese zarte Neutralität, die seine Konkurrenten beherrschen – oder generieren, okay. Für seinen Hauptberuf als Autobahnexpress benötigt er solche Qualifikationen freilich nicht, als M-BMW hätte er sie aber verdient gehabt.

Fazit

Mit der Beförderung zur M-Performance-Version hat es BMW geschafft, den 5er aufs Level des S6 zu bringen, dem sein Vorgänger noch gnadenlos hinterherfuhr. Allerdings – und das ist das Haar in der Suppe – ist der Audi schon ein paar Jährchen länger im Dienst. Hinzu kommt, dass so ein AMG E 43, den wir – nett, wie wir sind – aufgrund seiner vergleichsweise geringen Leistung von 400 PS hier lieber nicht antreten ließen, ein ganz anderes Kaliber ist. Auf der Strecke, nach Punkten und auch im Agilitätsgefühl. Ganz vorn, in einer anderen Liga, fährt derweil wieder der Panamera. Nach unseren Testmaßstäben kann er fast alles besser als alle anderen, wird durch die Vielzahl an Dynamiksystemen aber eher zum Fahrsimulator als zur Fahrmaschine, sodass der Lexus am Ende unser Hero ist. Er motorisiert herzergreifend, klingt brutal, bewegt seine sperrige Statur extrem agil, vergisst dabei aber nicht, dass er im Hauptamt Limousine ist. Liebe Leute, pfeift doch mal auf das Prestige und gönnt euch was – so was wie den GS F!

Technische Daten
Audi S6 4.0 TFSI Quattro BMW M550i xDrive Lexus GS F FPorsche Panamera 4S S
Grundpreis77.650 €86.300 €100.500 €115.050 €
Außenmaße4931 x 1874 x 1468 mm4962 x 1868 x 1467 mm4915 x 1845 x 1440 mm5049 x 1937 x 1423 mm
Kofferraumvolumen530 bis 995 l530 l520 l495 bis 1304 l
Hubraum / Motor3993 cm³ / 8-Zylinder4395 cm³ / 8-Zylinder4969 cm³ / 8-Zylinder2894 cm³ / 6-Zylinder
Leistung331 kW / 450 PS bei 5800 U/min340 kW / 462 PS bei 5500 U/min351 kW / 477 PS bei 7100 U/min324 kW / 440 PS bei 5650 U/min
Höchstgeschwindigkeit250 km/h250 km/h270 km/h289 km/h
0-100 km/h4,4 s4,4 s5,2 s4,3 s
Verbrauch9,2 l/100 km8,9 l/100 km11,2 l/100 km8,1 l/100 km
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Sport Auto 03 / 2022
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Erscheinungsdatum 04.02.2022

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