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Innenminister Thomas de Maizière.

© Tobias Schwarz/AFP

Update

Ärztepräsident weist Kritik des Innenministers zurück: Gefälligkeitsatteste für Flüchtlinge?

Innenminister Thomas de Maizière wirft Ärzten vor, abgelehnten Asylbewerbern zu leichtfertig Atteste auszustellen - und so zu viele vor Abschiebung zu bewahren. Der Ärztepräsident weist dies zurück.

Innenminister Thomas de Maizière hat den Medizinern in Deutschland vorgeworfen, zu viele nicht anerkannte Asylbewerber mit großzügigen Attesten vor der Abschiebung zu bewahren. "Es werden immer noch zu viele Atteste von Ärzten ausgestellt, wo es keine echten gesundheitlichen Abschiebehindernisse gibt", sagte der CDU-Politiker der "Rheinischen Post". "Es kann nicht sein, dass 70 Prozent der Männer unter 40 Jahren vor einer Abschiebung für krank und nicht transportfähig erklärt werden. Dagegen spricht jede Erfahrung."

Ärztepräsident: Es kommt immer auf den Einzelfall an

Ärztepräsident Frank Ulrich Montgomery wies diesen Vorwurf umgehend zurück. Der Innenminister mache es sich mit solchen Vorwürfen zu leicht, sagte er dem Tagesspiegel. Für Mediziner zähle immer der Einzelfall. "Wir lassen uns da nicht auf irgendwelche statistischen Spielereien ein."

Ärzte seien über die Berufsordnung verpflichtet, Atteste und Gutachten nach bestimmten Regeln aufzustellen, betonte Montgomery. Dafür gebe es genaue Richtlinien. "Wenn Herr de Maiziere Zweifel an der Richtigkeit bestimmter Attesten hat, kann er sich an die zuständigen Landesärztekammern wenden und sie dort überprüfen lassen."

Mediziner, die mehrfach falsche Atteste ausstellten, machten sich eines Berufsrechtsvergehens schuldig, sagte der Ärztepräsident. Die Konsequenzen reichten von der Rüge bis zur heftigen Strafe.

"Diagnose so ernst zu nehmen wie die eines Hobbydoktors"

Heftige Kritik an de Maizieres Vorwürfen kam aus der Opposition. "Dass der Bundesinnenminister Ärzten die Urteilsfähigkeit abspricht, weil ihm seine Abschiebezahlen nicht passen, zeigt, dass nicht nur ein politisches Konzept, sondern auch der Anstand fehlt", sagte Linken-Fraktionsvize Jan Korte. Ohne fundierte Belege sei "seine Diagnose so ernst zu nehmen wie die eines Hobbydoktors".

Der Minister wolle offenbar nicht begreifen, "dass hinter den Abschiebezahlen nicht Objekte, sondern Menschen stehen: Familien und Kinder, Männer und Frauen, über deren Gesundheitszustand zu Recht Ärzte befinden und nicht Bürokraten". Wer solche Bundesminister habe, so Korte, brauche sich über den Zuwachs gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit in der Mitte der Gesellschaft nicht zu wundern.

Auch für Grünen-Chefin Simone Peter geht de Maizieres „Ärzteschelte“ zu weit. Fast jeder zweite Asylsuchende leide unter einer posttraumatischen Belastungsstörung oder vergleichbaren Erkrankungen, sagte sie unter Berufung auf die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl.

Nach Auffassung der Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde, Iris Hauth, ist die Diagnose psychischer Erkrankungen "heute genauso zuverlässig wie für somatische Krankheiten“. Allerdings heißt es in einem Bericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe Rückführung von 2015, dass Atteste oder Gutachten zum Beleg einer Reiseunfähigkeit einer Überprüfung häufig nicht standhielten. Außerdem sei es schwierig für die Vollzugsbehörden, neutrale Fachärzte zu finden, da viele Mediziner aus weltanschaulicher oder berufsethischer Sicht nicht an einer Überprüfung gesundheitlicher Vollzugshindernisse mitwirken wollten. 

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Innenminister: Abschiebungen nicht ankündigen

Neben den Ärzten kritisierte der Innenminister auch die Bundesländer. "Wir müssen gemeinsam unsere eigenen Hausaufgaben erledigen und das vollziehen, worauf wir uns in den Asylpaketen I und II geeinigt haben", sagte er. "Es gibt da noch Vollzugsdefizite." Wichtig sei, Abschiebungen nicht anzukündigen. Der Ausreisegewahrsam könne entschlossener genutzt werden.

Weiter forderte de Maizière: "Es muss auch Leistungskürzungen geben, wenn Asylbewerber nicht bei der Identitätsfindung helfen oder im Fall der Ablehnung nicht ausreisen." Die rechtlichen Instrumente dafür seien im vergangenen Jahr geschaffen worden. Sie müssten noch konsequenter angewendet werden. (mit rtr/KNA)

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