Zum Inhalt springen

Fischer-Kolumne Betrug in Weiß?

Einzelfälle von Schiebung und Betrügereien im Gesundheitswesen sind nicht neu. Die Studie von Transparency International schreckt jedoch auf. Anscheinend haben die ungerechtfertigten Bereicherungen ein Ausmaß angenommen, das die Explosion der Kosten im Gesundheitswesen in einem anderen Licht erscheinen lässt.
Von Hartmut Fischer

Transparency International hat ein Buch vorgelegt, das das Thema "Korruption im Gesundheitswesen" zum Schwerpunkt hat. Dabei sind die Autoren zu interessanten Erkenntnissen gekommen: "Deutschland ist nach den USA und der Schweiz das drittteuerste Land, was die Kosten seines Gesundheitswesens angeht. Die Leistungen für die Versicherten und der Gesundheitszustand der Menschen in Deutschland liegen im internationalen Vergleich aber nur im Mittelfeld."

Daraus ergibt sich für das Autorenteam die Frage, woher die Diskrepanz zwischen Kosten und Leistung des deutschen Gesundheitswesens rühren. Das vorgelegte Buch kommt zu dem Ergebnis, dass der Missbrauch von Leistungen innerhalb unseres Gesundheitssystems mit ein Grund hierfür ist.

Unzumutbare Bedingungen

Die Vorwürfe sind hart. Aber sie müssen sachlich aufgearbeitet werden. Der lange Ärztestreik hat dem Image der Mediziner in Deutschland geschadet. Es ist ein Bild entstanden, das die Doktoren als raffgierige Subjekte erscheinen lässt.

Dieses Bild ist nicht fair. Assistenzärzte arbeiten teilweise unter unzumutbaren Bedingungen und müssen dabei unter einem immensen psychischen Druck ihren Dienst verrichten. Es wäre verheerend, wenn die vorgelegte Studie in der jetzigen Situation zu einer Pauschalverurteilung der Ärzte führen würde.

In jeder Herde gibt es schwarze Schafe, und so haben auch einige Ärzte keinen sauberen Kittel. Darum müssen die Vorwürfe der Transparency International ernst genommen und hinterfragt werden. Sie dürfen aber nicht gegen die Ärzteschaft an sich gerichtet werden.

Überangebot an Dienstleistungen

Überangebot an Waren und Dienstleistungen

So wird in dem Buch das Überangebot an Waren und Dienstleistungen im deutschen Gesundheitssystem aufgegriffen. Laut der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände befinden sich in Deutschland rund 50.000 Medikamente auf dem Markt. In der Schweiz waren dies nach Angaben des Verbandes der forschenden pharmazeutischen Firmen der Schweiz (Interpharmaph) rund 6500 Produkte (Stand 2004).

Nun wird kaum jemand behaupten wollen, dass die Gesundheitsversorgung in der Schweiz schlechter ist als in Deutschland. Dass aber ein so immenses Angebot natürlich dazu führt, dass mit harten Bandagen um Absatzmöglichkeiten gekämpft wird, ist nachvollziehbar. Auch hier wird es schwarze Schafe der Pharmaindustrie geben, die mit illegalen Mitteln arbeiten.

Dass es ein Überangebot gibt, wird indirekt durch die Positivlisten des Bundes bestätigt. Beim Zulassungsverfahren für Medikamente sollte geprüft werden, ob ein Medikament mit gleicher Zusammensetzung bereits auf dem Markt existiert. Ist dies der Fall, und dieses Produkt ist preisgünstiger, sollte kein weiteres Präparat zugelassen werden.

Dies ist nur ein Beispiel, was in unserem Gesundheitssystem zu tun ist. Auch in anderen Bereichen deckt die Studie von Transparency International Missbrauch auf, der letztlich dadurch möglich wird, dass sich unser gesamtes Gesundheitssystem mehr und mehr verselbstständigt hat.

Reform statt Beitragserhöhungen

Strukturreform statt Beitragserhöhungen

Wenn bisher von Reformen des Gesundheitswesens die Rede war, kamen dabei meist Mehrbelastungen für die Versicherten heraus. Natürlich führt die glücklicherweise immer besser werdende medizinische Versorgung auch zu höheren Kosten. Dabei darf man aber nicht auf einem Auge blind sein und sich vor der Bekämpfung von Missbrauch verschließen.

Dass sich ein Engagement in dieser Richtung lohnt, beweist eine Meldung der Kaufmännischen Krankenkasse KKH. Sie ist die derzeit einzige bundesweit tätige Krankenkasse die einen eigenen Arbeitsbereich zur Bekämpfung von Abrechnungsmanipulationen eingerichtet hat. In der Zeit von Januar bis April 2006 hat diese Einrichtung Betrugsfälle aufgedeckt, deren Schadenssumme sich auf über 350.000 Euro beziffert.

Nun gehört die KKH zu den kleineren Ersatzkassen. Es muss eine Organisation geschaffen werden, die zentral dem Problem des Missbrauchs nachgeht und zur Anklage bringt. Geht man von den Schätzungen der Transparency International aus, könnte der derzeitige Beitragssatz nicht nur gehalten, sondern sogar gesenkt werden. Die Organisation geht von einem zweistelligen Milliardenbetrag aus, der den Versicherten durch Manipulationen verloren geht und deshalb zusätzlich von ihnen finanziert werden muss.

Auf ein weiteres Problem weist die KKH hin. Sie bemängelt in ihrer Pressemeldung, dass die Strafverfolgungsbehörden nach wie vor längst nicht allen Manipulationen konsequent nachgeht. Insbesondere bei Korruptionstatbeständen ist es häufig zweifelhaft, inwieweit die Merkmale der Bestechung und Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr auf die typischen sozialrechtlichen Beziehungen von Krankenkassen mit Ärzten und anderen Vertragspartnern anwendbar sind. Hier ist der Gesetzgeber gefordert, Klarheit zu schaffen. Dies aber nicht erst seit heute. Das rechtliche Problem ist schon lange bekannt.

Teures Versäumnis

Dass man bis heute keine klaren Regelungen gefunden hat, ist ein für die Versicherten teures Versäumnis. KKH-Vorstandsvorsitzender Ingo Kailuweit fordert deshalb zu Recht "Hier ist eine gesetzliche Klarstellung längst überfällig … Das Strafgesetzbuch muss entsprechend erweitert werden, um hier allen Manipulationsversuchen frühzeitig einen Riegel vorzuschieben".

Um den Missbrauch wirksam zu bekämpfen, müssen die Organisationsstrukturen des Gesundheitswesens transparenter werden. Transparency International fordert beispielsweise auch, die Funktionsträger von Kammern und Krankenkassen den strengen Regularien eines Beamten zu unterwerfen. Auch diese Forderung kann nur unterstrichen werden. Insgesamt zeigt die Studie von Transparency International und die Meldung der KKH, dass die Krise im Gesundheitswesen nicht bewältigt wird, indem man an den Ergebnissen herumdoktert und Leistungen oder Beiträge kürzt. Wer nicht auf der anderen Seite alles tut, um den Missbrauch zu unterbinden, kann von einer gewissen Mitschuld nicht freigesprochen werden. Das gilt auch für unsere Politiker.

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.