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"Das Konzept verstößt gegen den Koalitionsvertrag"

Bayerns Gesundheitsminister Söder über den Widerstand gegen Röslers Prämie und über seine eigenen Ideen

Die WELT: Herr Söder, Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) hat sein Konzept für eine Gesundheitsreform vorgelegt. Ihre Landesregierung und Gesundheitspolitiker der CSU haben es untersucht. Wie bewerten Sie es?

Markus Söder: Wir haben das Konzept intensiv geprüft. Das ganze CSU-Präsidium kommt zu dem Ergebnis, dass wir es auf keinen Fall mittragen können.

Die WELT: Weshalb nicht?

Söder: Beitragserhöhungen und Kopfpauschale zusammen sind der falsche Weg. Damit wird vor allem die Mittelschicht belastet. Das widerspricht dem Grundgedanken einer bürgerlichen Regierung. Außerdem ist Röslers Vorschlag in der Praxis kaum umsetzbar. Die Krankenkassen müssten danach quasi zu Steuerbehörden werden, um den Sozialausgleich zu organisieren. Das kostet Millionen und bringt mehr Bürokratie. Letztlich ist der Rösler-Plan nur ein Finanzierungsvorschlag für das Jahr 2011. Für eine zukunftsfeste Finanzierungsgrundlage bietet er keine Perspektive.

Die WELT: Keine Prämie, keine Beitragserhöhung, kein Sozialausgleich. Worauf wollen Sie eigentlich hinaus?

Söder: Die Kopfpauschale sollte ursprünglich Lohnnebenkosten senken. Beitragserhöhungen sind das genaue Gegenteil. Außerdem ist der vermeintliche Sozialausgleich extrem bürokratisch und nur auf Antrag möglich. Damit werden aus Beitragszahlern Bittsteller.

Die WELT: Entspricht Röslers Vorschlag denn dem Koalitionsvertrag?

Söder: Grundphilosophie des Koalitionsvertrags ist, vor allem die Mittelschicht zu entlasten. Röslers Plan belastet jedoch Arbeitgeber und Mittelschicht ohne dabei die unteren Einkommen zu entlasten. Damit widerspricht das Konzept dem Koalitionsvertrag. Außerdem gibt es keine Regionalität.

Die WELT: Sie sagen, das Modell belaste die Mittelschicht. In Röslers Konzept heißt es dazu aber ausdrücklich, untere und mittlere Einkommen würden nicht belastet.

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Söder: Das stimmt nicht. Ein Rentner mit 650 Euro Einkommen hat bisher 51,35 Euro gezahlt...

Die WELT: ...ein Einkommen von 650 Euro ist aber nicht die Mittelschicht...

Söder: Nach Röslers Konzept würde dieser Rentner künftig 62,50 Euro zahlen. Das sind über 20 Prozent mehr.

Die WELT: Wie geht es jetzt weiter?

Söder: Der Bundesgesundheitsminister muss jetzt eine Strukturreform vorschlagen. Es muss im Gesundheitsbereich gespart werden. Seit acht Monaten wissen wir um die schwierige Situation der Sozialversicherung. Längst könnten wir weiter sein. Doch bisher dominierte die Debatte um die Kopfpauschale. Wir brauchen jetzt einen Neustart in der Gesundheitspolitik, wie wir ihn im Koalitionsvertrag vereinbart hatten. Sonst drohen langfristig medizinische Engpässe.

Die WELT: Wenn Sie Herrn Röslers Vorschlag komplett ablehnen: Machen Sie doch mal eigene Vorschläge!

Söder: Der Bundesgesundheitsminister ist dafür zuständig. Wir sind hier immer zu konstruktiven Gesprächen bereit. Abgesehen davon: Wir haben auch Vorschläge in die Diskussion eingebracht. Gerade in der jetzigen schwierigen Phase braucht es solide und berechenbare Konzepte.

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Die WELT: Dann zeigen Sie uns diese soliden Konzepte bitte. Ganz konkret: Im nächsten Jahr fehlen den Krankenkassen elf Milliarden Euro. Woher kommt das Geld?

Söder: Es braucht eine grundlegende Strukturreform. Der Bundesgesundheitsminister könnte zum Beispiel die Verteilungswirkung in der Gesetzlichen Krankenversicherung überprüfen. Außerdem sind alle großen Ausgabenblöcke auf den Prüfstand zu stellen. Anders wird es nicht gelingen. Selbst in dem Vorschlag von Herrn Rösler sind für die nächsten Jahre erhebliche Defizite zu erwarten. Er kommt um diese Aufgabe nicht herum.

Die WELT: Das war jetzt noch kein konkreter Vorschlag. Sie sagen, man könne die Selbstbeteiligung der Patienten erhöhen. Wo und wie?

Söder: Zunächst wäre es schon ein großer Erfolg, wenn die Ausgaben nicht mehr steigen.

Die WELT: Konkret bitte: Die Nullrunde für Ärzte und Krankenhäuser, auf die Sie ja offenbar anspielen und die CDU, CSU und Krankenkassen vorgeschlagen haben, bringt vier Milliarden Euro. Fehlen noch immer sieben Milliarden Euro.

Söder: Es geht doch um ein Gesamtkonzept, das die bestehenden Strukturen überprüft. Die Einsparungen im Pharmabereich müssen jetzt schleunigst umgesetzt werden. Die Bürokratiekosten müssen gesenkt und nicht erhöht werden.

Die WELT: Es fehlen aber noch immer mindestens fünf Milliarden. Wo kommen die jetzt noch her?

Söder: Bundesgesundheitsminister zu sein ist nicht vergnügungssteuerpflichtig. Horst Seehofer hatte in diesem Amt schon einmal ein Defizit von zehn Milliarden abzubauen. Und er hat es auch geschafft.

Die WELT: Bleiben am Ende wohl nur Beitragserhöhungen - die aber wollen Sie ja nicht. Sie schließen sie aus?

Söder: Rösler will sie. Wir sind sehr skeptisch.

Mit dem bayerischen Gesundheitsminister Markus Söder (CSU) sprach Philipp Neumann

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