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Wirtschaft (Print)

Pharmabranche wirft Rösler Populismus vor

Verband BPI: Gesundheitsminister will durch Arzneisparpaket beliebter werden - Nachbesserungen und mehr Mitsprache gefordert

Berlin - Die Pharmaindustrie fordert nachträgliche Änderungen am Arzneisparpaket von Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP). In zwei Positionspapieren, die der WELT vorliegen, verlangt der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) unter anderem mehr Mitsprache bei der Nutzenbewertung neuer Arzneimittel. Der Vorsitzende des BPI, Bernd Wegener, warf Rösler vor, es gehe ihm bei dem Sparpaket um seine Popularität.

"Der Kampf gegen die Pharmaindustrie erhöht die Popularität des Ministers. Das hat er sehr schnell verstanden und handelt entsprechend", sagte Wegener der WELT. In der Sache sei das Arzneimittelspargesetz völlig unbegründet. "Grundsätzlich sehen wir keinen Handlungsbedarf, die Preise von Arzneimitteln noch stärker zu reglementieren." Die Ausgaben der Krankenkassen für Arzneimittel seien 2009 nicht größer gewesen als vorher zwischen Kassen und Ärzten vereinbart. Der Gesundheitsminister könne auch nicht in der vergangenen Woche die Gesundheitswirtschaft loben und ihr dann mit einem Spargesetz das Leben schwer machen.

Bei den Änderungswünschen des Pharmaverbands geht es konkret um Zusammensetzung und Arbeitsweise des "Gemeinsamen Bundesausschusses" von Ärzten und Krankenkassen, der bei der Beurteilung neuer Medikamente eine größere Rolle spielen soll. "In diesem Gremium sitzt die pharmazeutische Industrie noch nicht einmal am Katzentisch", sagte Wegener. Ärzte und Kassen könnten im Bundesausschuss "ihre eigenen Interessen zulasten Dritter durchsetzen". Die späteren Preisverhandlungen für innovative Arzneimittel könnten dadurch manipuliert werden. Der BPI fordert unter anderem eine Beteiligung der Arzneihersteller und der Patienten an den Entscheidungen des Bundesausschusses sowie insgesamt mehr Transparenz bei dessen Arbeit. Das Gremium müsse reformiert und gesellschaftlich legitimiert werden.

In den Eckpunkten des Bundesgesundheitsministeriums für das Arzneisparpaket ist vorgesehen, dass der Gemeinsame Bundesausschuss bei neuen Arzneimitteln unmittelbar nach ihrer Zulassung eine schnelle Bewertung ihres Nutzens veranlassen soll. Bietet ein neues Präparat keinen zusätzlichen Nutzen, soll es sofort unter die Preisregulierung fallen. Wird es als einzigartig angesehen, sollen Hersteller und Kassen binnen eines Jahres über den Preis verhandeln können.

Der BPI beklagt sich in diesem Zusammenhang, dass die schnelle Bewertung von Medikamenten nie wirklich deren Nutzen erfassen könne. Um den Nutzen eines Medikaments unter Alltagsbedingungen seriös beurteilen zu können, brauche man groß angelegte Studien, die mehrere Jahre dauern. Außerdem müssten die Ergebnisse der Bewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss nachträglich überprüfbar sein. "Pharmazeutische Unternehmen müssen die Möglichkeit bekommen, erneut einen Antrag auf Bewertung stellen zu können, wenn wesentliche neue Erkenntnisse zum Produkt vorliegen", forderte BPI-Chef Wegener.

Auch der von der Bundesregierung geplante Zwangsrabatt von 16 Prozent auf alle Medikamente, deren Preis nicht reguliert wird, ist der Pharmabranche ein Dorn im Auge. Spezialpräparate, die für seltene Krankheiten entwickelt wurden und die eine bestimmte Umsatzgrenze nicht übersteigen, sollten nicht unter den Zwangsrabatt fallen. Für sie sollen auch die Regeln für die Nutzenbewertung nicht gelten, fordert der Verband.

Auf patentgeschützte Medikamente werde ohnehin bereits ein Zwangsrabatt von sechs Prozent zugunsten der gesetzlichen Krankenkassen erhoben, sagte BPI-Chef Wegener. "Das sind rund 750 Millionen Euro pro Jahr." Hinzu kämen Rabatte im Bereich der Generika, von denen die Kassen in einem Umfang von rund einer Milliarde Euro pro Jahr profitieren.

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