"Hetzkampagne" im Wartezimmer

28.05.2009 | Stand 03.12.2020, 4:55 Uhr

Feindbild Ulla Schmidt: Mit der "Aktion 15" kämpft die Freie Ärzteschaft gegen die SPD – auch in Ingolstadt. - Foto: Herbert

Ingolstadt (rl) Die Botschaft ist klar: "Wählen Sie was Sie wollen. Aber nicht SPD", heißt es in großen Lettern auf einem rot-schwarzen Plakat. Darunter ein alles andere als vorteilhaftes Bild von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt. "Aktion 15", heißt die Aktion der Freien Ärzteschaft, einem bundesweit agierenden Ärzteverband, der auch im Raum Ingolstadt rund 30 Anhänger hat.

Der Ingolstädter Hans S. war bei dem Sportarzt wegen eines Tennisarmes in Behandlung. Als er seinen Termin für eine Stoßwellentherapie wahrnehmen wollte, sah er im Wartezimmer besagte Plakate. Der Privatpatient verließ aus Ärger über die "Aktion 15" die Praxis und brach die Behandlung ab: "Das ist wirklich unterste Schublade", schimpft er. "Eine Hetzkampagne."

Der bayerische Hausärzteverband habe sich von der Aktion der Freien Ärzteschaft distanziert und seine Mitglieder angeschrieben, die Plakate abzuhängen, betont der Sprecher des Hausärztekreises in Ingolstadt und Vorstandsmitglied des bayerischen Hausärzteverbandes, Dr. Anton Böhm. Er ist SPD-Stadtrat und hat mit der "Aktion 15" deshalb in doppelter Hinsicht ein Problem.

Die Kampagne sei "falsch" und "nicht dem Niveau entsprechend", findet Böhm. Der Gesundheitsfonds sei überdies nicht die Ursache allen Übels. "Die Patienten zahlen mehr, die Ärzte kriegen mehr. Der Rest ist ein ganz großes Verteilungsproblem", so Böhm.

Tatsächlich bekommen die Ärzte in Deutschland heuer drei Milliarden Euro mehr. Insgesamt zahlen die gesetzlichen Krankenkassen an die rund 137 000 niedergelassenen Mediziner 32 Milliarden Euro. Das sind fast 19 Prozent aller Ausgaben der Kassen. Diese Zahlen nannte Gesundheitsministerin Schmidt im April in einem Interview mit dem DONAUKURIER. Warum das Geld dennoch nicht in den Praxen ankommt, ist vielen Medizinern ein Rätsel.

Auch GOIN-Vorsitzender Dr. Siegfried Jedamzik hält von der umstrittenen Plakataktion gegen Gesundheitsministerin Schmidt nichts. "Wir halten uns politisch absolut neutral", betonte er auf Anfrage. Gänzlich frei von politischen Aussagen ist die Homepage des Praxisnetzes freilich nicht: "Wahljahr 2009? Fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker – um schlimme Nebenwirkungen zu vermeiden", heißt es dort. Eine Empfehlung, wie die GOIN-Ärzte mit der "Aktion 15" umgehen sollen, gibt es laut Jedamzik bislang nicht. "Polemische Aktionen sind wenig von Nutzen", meint auch der Vorsitzende des Ärztlichen Kreisverbandes Ingolstadt-Eichstätt, Dr. Sigurd Eisenkeil. In Ingolstadt hätten die Ärzte aufgrund der guten Arbeit des Praxisnetzes ohnehin eine positive Perspektive für die Zukunft.

Der bei der Freien Ärzteschaft aktive Neurologe Dauphin versteht die Kritik an der Plakataktion nicht. "Ich stehe hundertprozentig dazu", sagt er. Schließlich ginge es bei der Wahl um eine entscheidende Frage: "Die SPD will die Staatsmedizin." Sie ebne den Weg für Kapitalkonzerne im Gesundheitswesen. "Ich dagegen kämpfe um die Freiberuflichkeit."